Auf dem Gehweg sitzen drei Frauen. Vielleicht betagt. In Plastikstühlen. Doch die Straße zeigt Risse. Ist das als Zustand aushaltbar? Fragen sich die Frauen, deren Welt nur Gehweg ist. Und ob der Gehweg ohne Straße überhaupt noch Gehweg ist? Also füllen sie die Risse auf mit dem, was zur Verfügung steht: Worte, Spucke, Blut und bloße Hände. Klug und komisch kreisen diese Frauen emsig redend um sich selbst, derweil der Text schon selbst die ersten Risse zeigt: Fußnoten. Mit ihnen dringt sie ein, die Welt, die nicht der Gehweg ist. Und spätestens als der Asphalt das Wort ergreift, muss das Verhältnis Gehweg/Straße völlig neu geordnet werden.
"Wann betrifft uns ein Problem? Wann engagieren wir uns? Und was ist es (uns) wert, gerettet zu werden? Drei Frauen sitzen in weißen Plastikstühlen auf dem Bürgersteig und entdecken Risse im Asphalt. Mit ihren bloßen Händen, mit Spucke und Blut versuchen sie, diese zu kitten, um ihre Welt zusammenzuhalten. Während des so emsigen wie erfolglosen Scharrens entspinnen sich witzige, kluge Dialoge, in die sich per Fußnoten andere Stimmen einschalten, die vom Mikro- auf den Makrokosmos zoomen: Sie berichten von ökonomischen und sozialen Schieflagen, von Missständen und Aufständen. Und auch der aufrührerische Asphalt mit seinen Rissen und Verwerfungen mischt sich ein in den Disput um Identität und Engagement, um Macht und Ohnmacht. In einem sehr eigenen, poetischen Sound entwirft Eleonore Khuen-Belasis ruhig Blut ein absurdes Szenario, das gleichwohl über zahlreiche Ankerpunkte in der Gegenwart verfügt und eine reizvolle Einladung zum Spiel ausspricht." (Begründung der Auswahljury für die Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin 2019)
Eleonore Belasi
ruhig blut
3 D, 1 H
UA: 8. Juni 2019 · Deutsches Theater Berlin mit einer Produktion des Schauspielhaus Graz · Regie: Clara Weyde