Kathrin versucht dem Personalmangel zu trotzen. Der fehlenden Zeit. Und der körperlichen Anstrengung. Damit sie den Alten Würde geben kann. Und Nähe. Doch all das wird ihr im Pflegeheim wenig gedankt. Die Chefin treibt zur Eile, die Angehörigen fühlen sich missverstanden, die eigene Tochter vernachlässigt. Ein Patient wird im Wahn zur Gefahr für ihr Leben. Und sie zur Überforderung für sich selbst. Nach Motiven von Woyzeck betrachtet Maria Milisavljevic sein weibliches Pendant im chronisch unterbezahlten und unterbesetzten Pflegesystem. Wer achtet auf diejenigen, die sich diesem Beruf mit Unbedingtheit ausliefern? Die zeitweise sogar die einzige Verbindung zur Außenwelt darstellen? Und sich irgendwann in den wirren Phantasien all derer verlieren, die sie bis zum Ende begleitet haben?
Maria Milisavljevic verschmilzt in alte sorgen die Zärtlichkeit einer Liebeserklärung an das Alter mit der einfühlsamen gleichwohl skurril-poetischen Betrachtung einer Pflegerin. Kathrin wird zum kalkulierten Opfer eines chronisch unterbesetzten Pflegesystems, weil sie sich ihrer Verantwortung für den Menschen einfach nicht entziehen kann. Selbst dann nicht, wenn das eigene Leben in die Brüche zu gehen droht.
Maria Milisavljevic
alte sorgen
gedacht entlang Georg Büchners WOYZECK
Auftragsarbeit für das Theater Münster
4 D, 2 H
UA: 28.1.2023 · Staatstheater Meiningen · Regie: Anna Stiepani
Alte Sorgen
Nachtkritik
Nachtkritik
Die Stärke des Stücks liegt darin, dass die Autorin drastische Zustände ohne anklagenden Unterton beschreibt. Der Text ist keine frontale Gesellschaftskritik. Vielmehr liefert Milisavljević ein vielschichtiges Bild des Pflegeberufs, in dem sie sich nicht nur aus dokumentarischer Perspektive nähert. Dramatische Texte wechseln sich mit lyrischen und poetischen ab. Die große Kunst dabei ist, dass der Ton weder ins Kitschige, noch ins Sentimentale abdriftet.
Meininger TageblattDie Berliner Autorin Maria Milisavljevic hat einen wunderbaren Text geschrieben. Einen Text voller Poesie. Keinen Text über den Tod. Einen Text über das Leben. Ein Text, so leicht, dass die Figuren darin zu schweben scheinen.