Ein Stück über Finanzberatung.
Julia, Martin und Ricardo sind junge Finanzberater in den schwierigen Zeiten der Wirtschaftskrise. Martin z.B. hat ein Problem. Er hat seine Eltern – eigentlich Menschen mit nur geringer Risikobereitschaft – überzeugt, ihr Geld in „sicheren“ Aktien anzulegen. Und nun ist das extrem Unwahrscheinliche eingetreten: Der Aktienkurs ist gefallen, Martins Eltern haben ihre Altersvorsorge verloren, sie sprechen nicht mehr mit ihrem Sohn.
Julia hat einen Kunden, Niklas, dem sie gerade eine Lebensversicherung verkauft hat und der sie jetzt mehrmals täglich anruft und sich für ihre biographischen Details interessiert. Die möchte sie ihm eigentlich nicht erzählen, aber Martin und Ricardo reden ihr zu – „Erzähl ihm, was er wissen will. Lass ihn Vertrauen zu dir aufbauen.“ – denn sie wissen: „Wenn du etwas kaufst, dann entwickelst du dabei Gefühle… Er hat ein Gefühl von Zuneigung entwickelt.“. Aber Julia setzt dem entgegen: „So lange ich so wenig Umsatz mache, kann ich kein Gefühl von Zuneigung brauchen.“
Resignation, gar Hoffnungslosigkeit werden nicht zugelassen. Martin zumindest hat am Ende seine Eltern erneut zum Aktienkauf bewegen können.
JULIA Du hast aus deiner Familie wieder eine Familie gemacht, indem du vertriebsorientiert gehandelt hast.
RICARDO Du hast einen Zustand von Harmonie hergestellt, indem du vertriebsorientiert gehandelt hast. Genau das ist dein Beruf.
Die drei jungen Berater sprechen mit den Begriffen der Finanzwelt über Emotionen und Beziehungen und mit Emotionen über ihre Arbeit. Die Figuren berühren mit ihrer beharrlichen Begeisterung für ihren Beruf und ihrem verbissenen Festhalten an einem Selbstverständnis, dem die reale Basis weitgehend abhanden gekommen ist.
Robert Woelfl
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1 D, 2 H
UA: 20.09.2013 · Mainfranken Theater Würzburg · Regie: Stephan Suschke