"Der Ort: ein Friedhof. Ein Grabstein aus grünem Sinterkalk: das Grab eines Mannes. Die Zeit: ein September. Die Personen: die Witwe und ein Fremder. Schon seit Tagen beobachtet sie ihn, wie er sie beobachtet. Er ist nicht geheuer. Etwas Gewalttätiges geht von ihm aus. Ein Geheimnis auch, von dem sie spürt, es könnte mit ihr zu tun haben. Sie muss ihn ansprechen, muss wissen, ihre Ahnungen in Sicherheit überführen. Schon ihr erstes Sprechen bricht beinahe ungewollt aus ihr heraus und führt sie fast traumwandlerisch auf die Spur ihrer Beziehung. Der Fremde hat den Grabstein des Ehemanns gefertigt: eine nach innen geschlagene Figur, der Mann "in sich selbst versteckt". Unfassbar die Antwort des Fremden: "Ich bin gekommen, Sie zu vernichten." Schockartig bricht die Drohung der Gewalt in die scheinbar so private Geschichte. Unversehens könnte der Fremde ein Attentäter sein, die Frau sein Opfer. Unversehens werden die beiden zu Vertretern ihrer Kulturen, zwei Welten kämpfen um ihre Identität. Im Ringen der Einzelnen werden die Mechanismen von Ausbeutung, Schuld und Rache deutlich, die höchst aktuell die Weltgeschichte bewegen. Späte Wut wird so zu einer messerscharfen Analyse der Verbohrtheit aller menschlichen Wahrheit, ein Gedankenspiel um die Frage nach dem Ursprung von Terrorismus und staatlicher Gewalt.
Späte Wut ist ein Krimi und ein Diskurs über die (Un)möglichkeit des Verstehens."
(Theater der Stadt Heidelberg)
Wolfgang Maria Bauer
Späte Wut
1 D, 1 H, 1 Dek
UA: 18.01.2004 · Theater der Stadt Heidelberg · Regie: Sebastian Schlösser