Sergej ist einer wie Udo Proksch, der seit acht Jahren in der Grazer Justizanstalt Karlau einsitzt. Der "Fall Lucon" liegt am Schnittpunkt von österreichischem Wahn und deutscher Geschichte. Mit diesen Ingredienzen eskalierte der unaufhaltsame Aufstieg des "Demel-Napoleons" zur Staatskrise. "Draußen herrscht Krieg", sagt Proksch. Er fühlt sich als Kriegsgefangener und wird in der Karlau "General" genannt.
Proksch hasst das Theater und blickt auf ein Leben zurück, das Stoff für das Theater bietet. Sergej ist aber weder Dokumentartheater noch dramatisierte Biographie, sondern erzählt von einem, wie Proksch einer ist:
"Als mein Vater heimkam aus dem Krieg, habe ich aufgehört zu wachsen. Das war meine Art des Protestes gegen das Zugrundegehen von Systemen und den an sie glaubenden Menschen. Ich bin exakt so groß, wie ich bei Kriegsende war. Der Krieg muss weitergehen. Ich will wieder wachsen. Schon als Bub habe ich Krieg geführt. Damals habe ich Goldfische liquidiert. Wir müssen uns wieder das Abenteuer selbst suchen. Für Generationen war das keine Frage. Die hatten immer Kriege. Jede Generation ihren schönen eigenen. Lebensdauer ungewiss. Wir sind die erste Generation, die das ganze Leben durchstehen muss. Krieg, wir brauchen den Krieg, wie unsere Väter, unsere Heldenväter."
Luxus, Korruption, Huren und Aktienpakete sind die Waffen, mit denen der mächtige Industrieideologe Kron seine Krieg führt. "Man muss so schweinisch sein wie der Staat, um ihm beizukommen. Und dann noch schweinischer, um ihn zu überholen. Auf seinen eigenen Vehikeln. Dieses Land ist zum Speien, aber ich bleibe hier. Nicht weil ich es so liebe. Ich möchte es ausrauben. Diese Republik bringt sich fort und wurschtelt sich fort, obwohl sie kaum noch existiert. Der Pfusch der Welt. Der Weltenpfusch."
Alexander Widner
Sergej
21 Szenen aus der Manege
8 D, 5 H, Verwandlungsdek
UA: 26.09.1998 · Vereinigte Bühnen, Graz · Regie: Christian Stückl