"Fremdes tut nicht gut in schwierigen Zeiten." Der Pfarrer sagt das, in einem einsam gelegenen Dorf irgendwo in den Bergen. Eine Schutzbehauptung, aufgestellt für die hermetische Dorfgemeinschaft, zugleich und erst recht Selbstschutz. Unausgesprochene Wahrheiten sollen genau das bleiben, was sie immer waren: zugedeckt, nicht existent.
Es nützt nichts. Die Welt da draußen dringt ein, Wanderer aus der Stadt, selbst jetzt noch, kurz bevor der Schnee fällt. Tobias etwa. Er spricht mit Hanna. Hanna, die auf dem Bahnhofsplatz steht, immer dann, wenn sie nicht gerade dem Vater, der sie "Bub" nennt, auf dem Hof oder dem Pfarrer, der ihr körperliche Nähe aufzwingt, auf dem Friedhof helfen muss. Sie erzählt Tobias von der kalbenden Kuh, von dem alten, stinkenden Mann und von Malcovis Tochter, die in den Bergen singt.
Schwierig sind die Zeiten allemal. Auch für die Familie von Hanna, deren Bruder vor zwei Jahren starb. Sein Tod birgt ein offenes Familiengeheimnis. Und als es gänzlich enthüllt wird, bleibt nur das Schweigen - oder der Amoklauf.
Kaltes Land erzählt in einer kargen, poetischen Sprache und mit Figuren von hoher Intensität davon, wie es ist, wenn das aufgezwängte Korsett nicht mehr passt, schier zu platzen droht. Und wie es ist, wenn der Aufbruch misslingen muss, weil man nichts als die eigene Welt kennt, im eigenen Kosmos gefangen ist.
Reto Finger
Kaltes Land
2 D, 3 H
UA: 6.10.2006 · Nationaltheater Mannheim · Regie: Burkhard C. Kosminski
Übersetzt in: Czech, Spanish, Swedish