KASPER Wissen Sie, warum die amerikanische Unabhängigkeitserklärung Unabhängigkeitserklärung heißt? Weil sie erklärt, daß jeder selber schauen soll, wie er weiter kommt, unabhängig davon, wie es dem anderen geht.
Der Schauplatz ist eine schmuddelige Garderobe im "Keller einer großen Sporthalle einer mittelgroßen westdeutschen Großstadt", dominiert durch ein Schild: "Es ist verboten, keine Angst zu haben". Am Rande einer Benefizgala zugunsten Obdachloser streiten hier ein Witzeerzähler und ein Literatur-Rezitator über Kunst und Unkunst, das Verhältnis von Comedy und Theater, Zynismus und Pathos, über "U" und "E".
EIGENBROD Man hat uns belogen, schändlich belogen.
Man hat uns auf die hinterhältigste Weise betrogen.
Sie haben uns aufs Gemeinste die Katastrophe versprochen
sie haben uns zittern lassen vor Todesangst,
sie haben uns den Untergang vorhergesagt und die Folter und das Ende -
und jetzt diese Schmach: Nichts ist passiert.
Die ganze Aufregung war genauso vergebens wie dieses aufgeregte Jahrhundert,
vergebens bis in die morschen Knochen.
Man hat uns die Folterwerkzeuge gezeigt, gegrinst -
und dann alles wieder in den Fundus geräumt.
Die totale Erschütterung der eigenen Person -
bloß ein Aufsprudeln der Nudeln in der 5-Minuten-Terrine.
Das ist das wirkliche Ende: Der Zug der Zeit fährt gar nicht ab.
Der Untergang des Abendlandes wird auf ungewisse Zeit verschoben.
Matthias Beltz
Ich bin nichts, ich hab nichts, aber ich lach mich tot
Komödie in 3 Akten
2 H, 1 Stimme, 1 Dek
UA: 08.11.1997 · Staatstheater Mainz · Regie: Franz Burkhard