Antje und Sie haben Ziele und Träume. Sie streben nach Selbstverwirklichung, finanzieller Sicherheit, Zugehörigkeit und Geborgenheit. Sie beide haben ihre Vergangenheit und wenige Chancen. Sie ist eine gescheiterte Schauspielerin, Antje eine ehemalige Fahrkartenkontrolleurin. Der Mond am Himmel war schon immer da. Er beobachtet uns, er sieht alles, davon ist Sie überzeugt. Für jede der beiden zeigt sich der Himmelskörper in anderer Gestalt. Für Sie als ungeborenes Kind im Bauch, das sie verliert. Für Antje als Big-Moon-Joker, dem Spielautomat, bei dem sie zu häufig nach den Sternen greift. Nach ihren Verlusten finden sie Zuflucht und ein zu Hause in der Fleischerei. Sie wetzen die Messer, teilen die Koteletts entzwei, jagen Rind und Schwein durch den Fleischwolf, belegen lustige Sandwiches. Hier sind sie angekommen, in der Realität. Doch wem gehört eigentlich die Fleischerei? Wer gibt den beiden ein kleines Stück Hoffnung in einer ungerechten Welt? Wo sollen sie hin, wenn auch die Fleischerei ihnen genommen wird? Ist die Welt verroht, bleibt nur noch der Ausweg hoch zum Himmel.
Mit faulender Mond gelingt Anaïs Clerc ein Stück über Klassismus und die politischen Manipulationsmechanismen einer Partei, die invasiver und struktureller sind, als wir es an der Oberfläche wahrnehmen. Dieser Text schwebt atmosphärisch zwischen Melancholie und Humor. Die Naivität der Figuren ist so pur und gleichzeitig so fragil, dass man sie retten möchte. Aber da ist ja noch der Mond.
Anaïs Clerc
faulender Mond
4 Darsteller, Doppelbesetzung möglich
UA: 12.10.2024 · Stadttheater Gießen · Regie: Amelie von Godin