„Noch mehr Senf. Noch mehr scharfen Senf auf mich hinauf.“ Der Arbeitslose Helmut Brennwert stärkt sich an einer Imbissbude für sein Bewerbungsgespräch in einer Sparkasse. Seine Verlobte droht damit, ihn zu verlassen, wenn es mit dem Job nichts wird. Ausgerechnet der Mann, bei dem er sich vorstellen soll, beschmiert Brennwerts einzigen guten Anzug mit scharfem Senf. Sein Abstieg, der längst begann, nimmt damit rasante Fahrt auf. Eine Demütigung folgt auf die nächste. Brennwert wird beschimpft, getreten, erniedrigt, vergewaltigt und zum Hund degradiert. Er wird das „Dreckschwein“ und der Fußabtreter, den die versammelte Gesellschaft offenbar braucht, um sich so richtig gut zu fühlen. Nur einmal gelingt es ihm noch, so etwas wie Achtung zu erringen. Er wütet für die Reaktivierung des deutschen Eichenwaldes und punktet bei allen, auch bei dem alten Ehepaar, das alle Episoden seiner Talfahrt mehr oder minder genüßlich verfolgt. Sein Ruhm ist von kurzer Dauer: „Jetzt bin ich wieder arbeitslos und allein.“ Und: „Hoffentlich gibt es kein ewiges Leben. Hoffentlich gibt es keine ewige Arbeitslosigkeit.“ Helmut Brennwert versucht ein letztes Mal, seinen Wert zu beweisen: Er zündet sich an.
Die ureigene Sprache des Autors, sein „Schwabisch“, kommt in „ESKALATION ordinär“ vergleichsweise milde daher. Was das Stück diagnostiziert, ist das Gegenteil von milde: Arbeitslosigkeit als der größte anzunehmende Unfall in einer auf Vorteilssuche bedachten Welt.
Werner Schwab
Eskalation ordinär
Ein Schwitzkastenschwank in sieben Affekten
2 D, 4 H, St
UA: März 1995 · Deutsches Schauspielhaus, Hamburg · Regie: Karin Beier