„Ich hasse das Publikum. Das Publikum ist der Tod des Theaters.“ Der übergewichtige Dichter im Stück sagt das. Genauso gut könnte es heißen „Der Dichter ist der Tod des Theaters.“, „Der Bühnenbildner ist der Tod des Theaters.“ oder „Der Regisseur ist der Tod des Theaters.“ Oder gar: „Das Theater ist der Tod des Theaters.“ In Werner Schwabs letztem Stück bekommen alle Theatermacher ihr Fett weg. Eine veritable Abrechnung ist das, im bös-bissigem Schwabisch so stark evaluiert, dass man fast gewillt ist, die Überspitzung als reales Abbild eines sich selbst vernichtenden Gegenwartstheaters zu akzeptieren. Die Figuren heißen so, wie es die Abrechnung verlangt: Der sich unverstanden fühlende Dichter Mühlstein hängt wie ein solcher am Hals des Theaters; der Regisseur Saftmann meint, dem Stück mit seiner Todesphilosophie mehr Substanz zu verleihen und inszeniert am Thema vorbei; der Bühnenbildner Rubens schwelgt in seinen eigenen Bildern. Die Putzfrau heißt Frau Haider, ist so unangenehm wie ihr Namensvetter und gilt als die Stimme des Volkes wenig. Die Proben verlaufen katastrophal. Nach einem ebenso destruktivem Besuch der Familienministerin verlassen die Schauspieler das Theater. Die Realität hält Einzug: Saftmann rekrutiert Bewohner eines Altenheimes, um das Theater auf dem Theater fortführen zu können. Frau Haider wiederum probt den Aufstand und ergreift die Macht. Die von der Gesellschaft aussortierten Alten erheben sich gegen das Theater respektive gegen seinen Vollstrecker: Sie erschlagen Saftmann. Und atmen auf.
Werner Schwab
Endlich tot endlich keine Luft mehr
Ein Theaterzernichtungslustspiel
6 D, 6 H, 1 Dek
UA: September 1994 · Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken · Regie: Michael Wallner
Übersetzt in: English, Polish