Stanislava Jevic

Die Erfindung meiner Kindheit
oder All das, was mir das Leben rettete
1 D
UA: 11.05.2024 · Junges Schauspielhaus Hamburg · Regie: Stanislava Jevic
Anastasia erinnert sich genau an ihre Kindheit: An das magische Hochhaus, in dem sie aufwächst, gleich neben dem Kanal, der zum reißenden Fluss werden kann, an den Fahrstuhl, der einen in den sechsten Stock zu Fantomas und seinem Wolf bringt, an die Spielgefährt*innen, mit denen sie und ihre Schwester Anita heimlich nachts Horrorfilme schauen, an den Klang der Sprache ihrer Eltern und an das ferne Land Jugoslawien, das es einmal gab und das jetzt versunken ist – wie Atlantis. Und sie erinnert sich an die Prügel und die Gespenster ihrer Mutter, an die zärtlichen Hände ihres Vaters, die sie nicht immer retten können, das Lächeln ihrer Schwester und die Tränen in ihren großen traurigen Augen. Sie erinnert sich an die weiten, gelben Felder im Dorf ihres Vaters und an das blaue Meer und die Gischt in der weißen, venezianischen Küstenstadt ihrer Mutter – und an all die Menschen, die diese Welten und ihren Kopf immer noch bevölkern.

Die Erfindung meiner Kindheit oder All das, was mir das Leben rettete erzählt von einer harten Kindheit im jugoslawischen Gastarbeiter-Milieu der 80er Jahre in Deutschland. Im Zentrum stehen Anastasia und ihre Familie, die nicht wirklich in Deutschland angekommen ist. Die psychische Erkrankung der Mutter prägt die Sozialisation Anastasias und ihrer Schwester. Eine traumatische Kindheit wird beschrieben, wobei der Text immer wieder poetische und humorvolle Bilder der Befreiung davon entwirft. Das Stück ist ein mehrdimensionaler Erzählkosmos, der zwischen der Perspektive der erwachsen gewordenen Frau, die sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt und der kindlichen Perspektive hin- und herwechselt, wobei die Grenzen zwischen Realität und Erfindung verschwimmen. Es entsteht ein ästhetischer Sog, in dem die Kindheit wie in einem Hohe- und Klagelied heraufbeschworen wird – die Erfindung der eigenen Kindheit wird dabei zu einem nie endenden Prozess und zu einem Versuch, die Deutungshoheit über das eigene Leben zu ergreifen.
JT

Journal

Stanislava Jevic

DIE ERFINDUNG MEINER KINDHEIT oder ALL DAS, WAS MIR DAS LEBEN RETTETE von Stanislava Jević

03.06.2024
„Der Abend ist in der Lage, ein Publikum ab 15 Jahren tief zu berühren. Wenn es sich darauf einlässt, zu akzeptieren, dass Trauer und Freude, dass Paradies und Hölle ganz nahe beieinanderliegen können", schreibt das Hamburger Abendblatt über das Jugendstück ... mehr

Kritiken

Erfindung meiner Kindheit

theaterzeithamburg.de

Am Ende dieses 75minütigen Abends bleibt der Eindruck einer jungen Frau, die sich aus eigener Kraft mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen und ihre Gegenwart zu gestalten weiß. Eine nachdenklich stimmende Produktion, die Mut macht.

NDR Kulturjournal

Gerade junge Menschen, besonders mit Migrationsgeschichte, werden sich hier wiederfinden. Eine Geschichte, an die jede und jeder andocken kann.

Hamburger Abendblatt

Der Abend ist in der Lage, ein Publikum ab 15 Jahren tief zu berühren. Wenn es sich darauf einlässt, zu akzeptieren, dass Trauer und Freude, dass Paradies und Hölle ganz nahe beieinanderliegen können.

Hamburger Abendblatt

Jević beschreibt ein Aufwachsen zwischen Geborgenheit und Haltlosigkeit. Alicja Rosinski macht auf der Studiobühne des Jungen Schauspielhauses einen atemberaubenden Monolog aus dieser Erzählung.