In Mostar steht sie, die „Stari Most“. Die „Alte Brücke“, die der Stadt ihren Namen verleiht. Das 20 Meter hohe Monument verbindet seit Jahrhunderten beide Stadtteile miteinander. Einmal jährlich findet hier das gefährliche Brückenspringen statt. Eminas Erinnerung führen zurück ins Jahr 1988, ins ehemalige Jugoslawien. Mina, ihr jüngeres Ich, Leya und Sascha beobachten das Spektakel vom Ufer aus. Mili, ein junger Mann, springt zum ersten Mal. Er kommt nicht von hier. Er ist nicht vertraut mit dem Verhalten des Windes auf der Brücke, den Strömungen im Fluss. Sein verpatzter Sprung beschert Mili ein geschwollenes Gesicht, aber auch ein Date mit Mina. Die zwei werden ein Paar, und Mili freundet sich auch mit Sascha und Leya an. Ihre religiösen Unterschiede spielen für die vier keine Rolle. Zusammen feiern sie die Nächte durch, beschallen die Nachbarschaft mit 80er Jahre-Popmusik. Doch die unbeschwerte Zeit hält nicht lange an. Mit Beginn des Bosnienkrieges 1992 ändert sich der Alltag der Freunde grundlegend. Menschen, die friedlich zusammengelebt haben, bekämpfen sich. Menschenleben werden ausgelöscht, und schließlich wird auch die Brücke, das Wahrzeichen ihrer Verbundenheit, zerstört.
Es sind die Erinnerungen einer Frau an reale Ereignisse. Erinnerungen an ihre Jugend. Ihre Unbeschwertheit. Ihre erste Liebe. Ihre Gefühle. Den Krieg. Die Taubheit. Die Kälte. Die Zerstörung. Den Schmerz. Dies alles macht Eminas Geschichte so lebendig und kaum aushaltbar. Gleichzeitig vermittelt der britisch-bosnische Autor Igor Memic, Gewinner des Papatango New Writing Prize 2020, die unmittelbare Dringlichkeit, von diesem vergessenen europäischen Krieg zu erzählen.
Igor Memic
Die Brücke von Mostar
(Old Bridge)
Deutsch von John Birke
3 D, 2 H
UA: 21.10.2021 · Bush Theatre, London · Regie: Selma Dimitrijevic
DSE: Spielzeit 2023/24 · Theater Oberhausen
DSE: Spielzeit 2023/24 · Theater Oberhausen
Die Brücke von Mostar
Nachtkritik
Nachtkritik
In dieser von Regisseurin Anne Bader und Dramaturg Jascha Fendel erarbeiteten Inszenierung stimmt alles, und das eindrucksvolle Stück ist absolut sehenswert. Interessant: Alle Beteiligten, vom Autor über die Schauspieler*innen bis zum Theaterteam, scheinen kaum älter als Mitte dreißig, was hieße, dass sie den Jugoslawienkrieg kaum bewusst mitbekommen haben dürften. Umso bedeutender die Erinnerungsarbeit, die sie alle gemeinsam leisten.