Das Geschäft mit der Liebe blüht in Zeiten wirtschaftlicher Regression. Für manch einen ist es das einzige Geschäft, das überhaupt noch Chancen ermöglicht. So auch für Bibi. Von allen geliebt und begehrt, teilt er seine Dienste so auf, wie es gerade am gewinnbringendsten ist. Ob in einer Tanzbar, auf der Straße oder im Hause des Präsidenten: Bibi weiß, wie er sich und andere am besten verkaufen kann. Notfalls hilft Erpressung. Und Bibi ist bei weitem nicht allein: Ob berühmte Filmschauspielerin oder gefallener Boxer, ob Barkeeper oder Präsident eines großen Unternehmens: Liebe und Geschäft sind für sie alle untrennbar miteinander verquickt. Der Hauch von echtem Gefühl, der fast jeden von ihnen einmal anweht, wird hinweggefegt vom „Zeitalter“, das Kalkül und Vorteilssucht an oberste Stelle platziert. Die Moral ist gerade noch gut genug, um als Zitat herzuhalten. Gültig ist sie schon lange nicht mehr. Und alles Ideelle wird sofort zum Hohn, wenn es keinen materiellen Vorteil verschafft:
„Wir haben nichts, was 'ne Sache ist –
Aber wir haben Sachlichkeit.“
Der dekadente Liebesreigen lässt Bibi einen rasanten Aufstieg vom Eintänzer zum Teilhaber des großen Unternehmens machen. Um seine Gunst wird gestritten und gelitten. Er selbst strebt die Ehe mit der Unternehmertochter an, unter anderem auch, um den amourösen Nachstellungen von Seiten ihres Vaters zu entgehen, besonders aber, um eine Berühmtheit zu werden.
Der Mensch als Kapital: In der mitleidslosen Karikatur liegt bei Heinrich Mann erneut eine tiefgreifende Gesellschaftskritik. Eingekleidet in entblößenden Szenen und durchsetzt mit kabarettistisch angelegten Liedern bewegt sich Bibi auf der Grenze zwischen Schauspiel und Revue.
Heinrich Mann
Bibi
Seine Jugend in 3 Akten
6 D, 5 H, 3 Dek