„Euripides schrieb eine Tragödie, deren Handlung von so jäher Grausamkeit ist, so eruptiv in ihrem Hass und so maßlos in ihrem Opferverlangen, dass diese ... allen … noch heute einen Schauer über den Rücken jagt. In den Bakchen fällt der Himmel auf die Erde, und ein grausamer Dionysos macht die Welt zum Grab. Dionysos kehrt in seine Geburtsstadt Theben zurück, im Schlepptau eine Schar ausgelassener Bacchantinnen. Dem regierenden König Pentheus ist der bunte Haufen ein Dorn im Auge, zumal auch seine Mutter Agaue zu den Naturfreunden übergelaufen ist. Erst recht weigert er sich, im Anführer der Bakchen den Sohn des Zeus zu erkennen. Mit dieser säkularen Revolte gegen den erscheinenden Gott besiegelt der ungläubige Pentheus seinen Untergang. Dionysos stachelt die Bakchen gegen ihn auf; in mörderischer Trance zerstückelt Agaue, die glaubt, einen jungen Löwen vor sich zu haben, ihren Sohn. …
Die Bakchen sind das Stück der Stunde ... Auch die uralte Frage, mit welcher Figur wir es denn halten sollen, ist drängend wie eh und je. Ist es Pentheus, der in einer chaotischen Welt Ordnung schaffen will? Oder ruht alle Hoffnung auf Dionysos, der Chaos in die gottlose Ordnung bringt und das Volk von den leeren Blechnäpfen seiner kalten Vernunft zurückführt zum Sinn des Lebens und zur Fülle des Daseins?
(DIE ZEIT)
DIONYSOS
Hinter mir liegt eine unsichtbare Spur:
Überall auf dem Weg
habe ich meine Feste eingeführt,
die Musik, den Gesang, die Trommeln, die Tänze -
und jetzt werde ich auch hier in Griechenland
den Menschen zeigen, was ich bin:
ein neuer Gott!
Euripides, Roland Schimmelpfennig
Bacchen
1 D, 6 H, Chor
UA: 11.03.2016 · Theater Basel · Regie: Robert Borgmann