"Die Gegenwart ist abgrundtief schlingensief, aber irgendwann erholt sie sich, vielleicht ..."
Aber vor dem heilsamen Aufatmen kommt der sarkastische Abgesang auf einen Kunstbetrieb, der sich in seinen egomanen Eitelkeiten ergeht. Und den liefert Helmut Krausser in diesem Stück um genialische Künstler und deren Verwerter - sprachgewaltig und pointiert.
Lucy, um die 50, macht den Anfang, indem sie die arrogante Abgehobenheit des Kunstbetriebs, Zuschauer inbegriffen, auf die Spitze treibt: Sie eröffnet eine neue Galerie, im fünften Stock ohne Lift, ein "Drecksloch". Konsequenterweise hängt sie die Bilder nicht mehr, sondern stellt sie auf den Boden. "Die Besucher können auf die Kunst herabsehen. Das wollten sie schon immermal." Zwei Künstler buhlen um ihre Gunst, nicht ohne Angriffslust, nicht ohne brutale Ausbeutung ihrer Liebessehnsucht. Zwei Kunstkritiker spielen das Spiel von "guter Kritiker - böser Kritiker". Jeder wird zur Ware und macht selbst die Kunst zur Ware. Das Ringen um die Kunst ist nichts weiter mehr als ein Manifestieren der Beliebigkeit. Die einzige, die da nicht mitmachen will, ist die Sprayerin Eva, die Neuentdeckung, deren Bilder kurzerhand okkupiert werden.
Und unter der ausgestellten Extravaganz laufen die wahren Dramen ab: der Existenzkampf, der nicht die Steigerung des eigenen Marktwerts meint, sondern ein Kampf um die Rechtfertigung des eigenen Daseins ist, als Künstler oder als Mensch. Ein Kampf um die Identität, um die Selbstbehauptung. Wie viel Mensch ist noch übrig bei all der Deformation zur Marke? (Über)Lebensphilosophien machen die Runde.
"Träume und Bedürfnisse. Dazwischen das Spielfeld."
Helmut Krausser
Afrika (Freitag)
4 D, 6 H, 1 Dek
UA: 16.03.07 · Theater Oberhausen · Regie: Katja Lauken