Svealena Kutschke

Neu im Programm: GLOW IN THE DARK von Svealena Kutschke

Neu im Programm: GLOW IN THE DARK von Svealena Kutschke(c) Dorothea Tuch

Nach ihrem erfolgreichen dramatischen Debüt mit zu unseren füßen, das gold, aus dem boden verschwunden, das für die Autorentheatertage 2019 ausgewählt und in der Inszenierung von András Dömötör am Deutschen Theater Berlin produziert wurde und für das sie den Förderpreis zum Schillerpreis 2019 erhielt, hat Svealena Kutschke nun mit Glow in the Dark ihr zweites Bühnenstück geschrieben. Hier stellt die Autorin selbst es uns vor.

 

Eine Arbeit im Maschinenraum der angegriffenen Wahrnehmung. Vier Frauen*, deren Sprechen einen klinischen Erzählraum nahelegt, die wir aber in einem Kraftraum sehen. Eine Arbeit mit Hanteln und chorischen Kampfsportchoreographien, immer dem Rhythmus des Sprechens angepasst. Bis die Sprache durch den Körper unterworfen wird.

 


Luca, Carla, Linn- sie sind heterosexuell, sie sind homosexuell, sie haben cis Körper, sie haben trans Körper, begegnen sich im Maschinenraum der Psyche. Sie stemmen Hanteln, sie essen zu viel oder zu wenig, sie haben ernstzunehmende Neurosen, sie neiden sich gegenseitig die Diagnosen, das Buffet ist gut, die Luft Alpin oder Maritim, aber die Handtücher der Privatzahlenden scheinen ein bisschen flauschiger als ihre. Sie sind in Bewegung, immer in Bewegung, sie kämpfen, sie boxen, sie treten, immer angetrieben von der Trainerin. Eine schwankende Sprechposition, die mal Ärztin, mal Patientin zu sein scheint, die manchmal unterstützend, manchmal reproduzierend wirkt, eine Sprechposition, die offensichtlich ihre eigenen Kämpfe hat. Denn: Wie wird gesprochen über Gewalt, wenn selbst die Betroffenen diese kaum ernstnehmen. Gewalt, die alle Rückzugsräume infiltriert, weil sie neben dem Körper, besonders auch die Wahrnehmungsstrukturen angreift. Verdrängung ist nicht nur das psychologische Ergebnis einer Traumatisierung, es ist auch die Folge einer gesellschaftlichen Struktur, die sexualisierte Gewalt an Frauen* noch immer trivialisiert.

 


Und was ist es eigentlich, dieses sogenannte Draußen? Die Welt außerhalb der Klinik scheint zu fluktuieren, jede Protagonistin sieht etwas anderes durch die großen Fenster der Klinik. Die Welt, sie wird nicht mehr betreten. Die Protagonistinnen haben sich zurückgezogen in einen Raum der inneren Wahrnehmung. Draußen, das ist wechselnd Utopie und Dystopie, und manchmal auch nur eine Vorstadtkreuzung mit einer defekten Ampelanlage.

 


Glow in the Dark sucht nach der Liebe als utopischem Moment. Die Liebe als Gegenfieber, als Obsession, die Liebe als eskapistischer Rausch, in dem man sich begegnet oder sich selbst entflieht, ohne dass die Unterscheidung noch wichtig wäre. „I love you, but I´ve chosen Entdramatisierung“ sagt Linns Geliebte. Und Linn verliebt sich. Linn sagt: „Ich möchte mir jeden deiner Sätze durch die Nase ziehen.“

 


Aber die Liebe ist auch ein gefährdeter Raum, natürlich. Und die Liebenden sind sich ihrer selbst noch weniger sicher als der Geliebten: „1 Fremdkörper in meinem Bett, oder bin das womöglich ich, bei glänzendem Himmel auch noch und jetzt sitzen wir hier so grausam da. So tuntig, so butch, so einhorn, muss das denn sein?“

 


Und der Chor, immer wieder der Chor: Manchmal Ausflucht, manchmal Kampfansage, häufig aber auch Spiegel der Trivialisierung, die Gewalt durch Gesellschaft widerfährt. Es scheint, niemand kann ihnen verzeihen was geschah, am wenigsten sie selbst. Die vier Frauen* sprechen über die Liebe und inwiefern sie immer utopischer Zielort bleibt, weil erfahrene Gewalt sich auch in Beziehungen reproduziert. Zentral dabei bleibt die Frage, was wir erinnern. Wie sehr wir unserer Erinnerung trauen können und was eigentlich das Material ist, welches das Narrativ unseres Lebens bildet.


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