Traum und Schrecken haben sich in der Villa Armiranda zu einer offenbar schicksalhaften Einheit verbunden. Der weiße Pfau, der von Zeit zu Zeit im Park erscheint, ist Widergänger einer früheren Gewalttat, die aus falsch verstandener Liebe geschah. Jetzt ist es Donna Isabella, die über dem Mord an ihrem Geliebten wahnsinnig geworden ist. Er starb in ihren Armen, blutüberströmt.
Ihr Arzt schwärmt von der Trunkenheit der Welt und philosophiert über den Traum von einer Seele, die sich über alle Grenzen ausdehnen kann. Er hofft, seine Patientin könnte durch Virginio, dem Bruder des Ermordeten, von ihrem Wahn erlöst werden. Auch Isabella sieht in Virginio das Glück: In ihren Träumen ist er der zukünftige Mann ihrer Schwester Beatrice. Sie selbst will ganz in der Natur aufgehen, um das vermeintliche Paar beobachten zu können, ohne gesehen zu werden. Aber jedes Rot, ob von einer Beere oder einem Insekt, wirft sie auf ihren Schrecken zurück.
Virginio bringt immerhin Linderung, indem er davon spricht, dass seine Mutter den beiden Schwestern Isabella und Beatrice im Schmerz zugetan ist und sie von Schuld freispricht. Isabella erreichen die milden Worte kaum. Sie bricht zusammen. Nur im totalen Vergessen liegt für sie Befreiung.
Gabriele d’Annunzios Figuren reagieren hochsensibel auf alles, was das Gefühlsleben beeinflusst. Die Natur ist ihnen so zu gleichen Teilen Bedrohung und Erlösung. Und die Spanne der Seele von Schmerz und Liebe, Trauer und Glück ist zu groß, um sie aushalten zu können. Die Figuren d’Annunzios sind zerrissen, oder vielmehr: Sie zerreißen gerade im Moment.
Gabriele D'Annunzio
Traum eines Frühlingsmorgen
Dramatisches Gedicht in 1 Akt
(Sogno di un Mattino di Primavera)
(Sogno di un Mattino di Primavera)
4 D, 3 H, 1 Dek