Draußen Berlin. In der Autowerkstatt: Istanbul - türkisches Gemurmel, träge Betriebsamkeit. Der Deutsche Klaus Klaus (K.K.) kommt so von Berlin nach Istanbul und provoziert in die Reglosigkeit hinein. Nichts jedoch lässt sich in Bewegung versetzen, zur Spannung reizen: Dialoge lösen sich in Zusammenhangslosigkeit auf und versickern in Schweigen; Sprache und Gesten verkleben zu Klischees und Ritualen, erstarren in kompakten Pausen; heftige Gefühlsausbrüche und sich gefährlich hochschraubende Gewaltspiralen erfrieren zu grotesken Drohgebärden.
Aus der Konsequenzlosigkeit jeden Handelns ergibt sich seine Bedeutungslosigkeit. Nur ein Radfahrer hat die Spielregeln nicht verstanden, handelt folgerichtig und provoziert eine - unaufgeregte - Eskalation.
In Suzuki 1 stellt Schipenko den deutschen Schriftsteller K.K. in einen ihm (und Schipenko selbst) fremden Kosmos mit eigenen Gesetzen, Verhaltensregeln, Normalitäten. Trotz aller Fremdheit verhält K.K. sich von Anbeginn nicht als Eindringling, sondern taucht in einer unangestrengten, natürlichen Bewegung in diese Welt ein. Die türkische Autowerkstatt verdichtet sich um K.K. herum zunehmend zu einer Traumwelt, in der Sprache und Bewegung äußerst karg und stark ritualisiert sind - einer eigenen Logik folgen. Von draußen betrachtet, erscheint diese Logik brüchig, die Welt zerklüftet, doch drinnen ist sie ein mit schlafwandlerischer Sicherheit funktionierendes, kohärentes Ganzes. So kohärent, dass sie als realer Alptraum ins Draußen einbrechen kann.
Alexej Schipenko
Suzuki 1
Stück in 1 Akt (abendfüllend)
Deutsch von Sergej Gladkich
6 H, St, Verwandlungsdek
UA: 25.09.1997 · Deutsches Theater (Baracke), Berlin · Regie: Thomas Ostermeier