An einem Badesee sonnt sich eine nackte Frau, während ihr geschiedener Mann sie beobachtet. Den ganzen Tag liefern sich beide ein Gefecht, ohne jemals das Wort aneinander zu richten - zum Dialog kommt es nie, Anklage bleibt neben Anklage stehen. Bitter und hart geworden durch den Wahnsinn der einander zugefügten Verletzungen, wüten sie nicht nur gegeneinander, sondern auch gegen die Rolle, in der sie sich unverhofft, in ihrer Ehe wiedergefunden haben, und die sozialen Zwänge, die ein Ausbrechen unmöglich machen. Die Ehe wird als gesellschaftlicher Kampfschauplatz entlarvt, auf dem sich keines der beiden Geschlechter eine Blöße geben darf - vom "ruhigen Ehehafen" kann keine Rede sein. Das Stück endet in einem sinnlosen Gewaltakt - der Mann steinigt die Frau.
Harald Kislinger
Steinigung einer nackten Frau
1 D, 1 H
UA: 26.09.1991 · LIVA Posthof, Linz · Regie: Wilhelm Engeldhardt