"Ulrike: Worte, Bedeutungen gehen verloren. Bin nur noch Bild. Mein Tod ist mein Thema. Meine Thema ist mein Tod. Bin ich eine Heilige? Bewußtsein, eigenes Überleben gleich null. Auf Wiedersehen, Freunde, Gefährten, Kameraden, Genossen. Die Pflicht der Intellektuellen ist es, als Klasse Selbstmord zu begehen."
"Gudrun: Ich bin die Kriminelle, Die Wahnsinnige, die Selbstmörderin. Ich bin Widerspruch. Ich verrecke in mir. Entweder ich vernichte mich, oder ich vernichte andere. Entweder tot oder Egoist."
Stammheim als Theaterstück. Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Irmgard Möller als Rollen. Bin ich falsch besetzt? Provisorisch nähern sich Natascha, Sanja und Ingrid zunächst diesen umstrittenen "Heldinnen" der Zeitgeschichte an, probieren deren Sätze aus, experimentieren mit der Radikalität ihres Denkens, beginnen sich mehr und mehr zu identifizieren. Sie werden erfasst von der Eigendynamik ihrer Rollen. Momentaufnahmen aus der Zeit der RAF, ihrer Überfälle, Festnahmen und ihrer Haft leuchten in stilisierter Verfremdung auf. Doch im Vordergrund des assoziativen Rückblicks auf den Moment der Stammheimer Tode stehen bei Czeslik die apodiktische und rohe Sprachform der RAF, das strikte Entweder Oder im Denken und die unerbittliche psychologische "Kriegsführung", mit der die Protagonistinnen sich gegenseitig in Schach halten.
Mit dem dramaturgischen Trick der Rollenaneignung gelingt Czeslik hier der Brückenschlag zu einem der faszinierendsten Kapitel der Geschichte der BRD und zugleich ein eindringliches Psychogramm der RAF-Frauen.
Oliver Czeslik
Stammheim Proben
4 D, 1 Dek
UA: 15.02.2002 · Sophiensaele, Berlin · Regie: Fred Kelemen