Thornton Wilder, der Meister des epischen Theaters Nordamerikas und Erschaffer eines modernen christlichen Welttheaters, zeichnet in nur einem Akt das Bild des menschlichen Daseins, dessen zwei Zentrifugalkräfte nicht mehr und nicht weniger sind als: Leben und Sterben. Der Zwischenraum muss gefüllt werden, aber leicht ist das für den Menschen nicht.
Ein Spielleiter markiert einen Schlafwagen und teilt den Schauspielern die Rollen zu: einer ist der Schaffner, ein anderer ein Geschäftsmann, zwei spielen ein Ehepaar, eine ist die Geistesgestörte. Dort, wo jemand fehlt, springt der Spielleiter selbst ein. Die Gedanken und Gespräche der Figuren werden laut. Eine kleine Sinfonie menschlicher Befindlichkeiten entsteht, bis sich der Fokus schließlich auf die Ehefrau richtet. Sie ist es, die in dieser Nacht im Schlafwagen einem Herzversagen erliegt.
Ein Oratorium hebt an: Der Spielleiter beginnt im Detail - ein Feld, ein Landstreicher, das Städtchen Parkersburg/ Ohio, ein Weichensteller -, um die Kreise immer größer zu ziehen. Die Schauspieler verkörpern die Stunden und Planeten und als solche Philosophen wie Plato oder Epiktet. Ihre Stimmen formt der Spielleiter zu einem Konzert: dem Klang der Erde. Und in diesem Klang erscheinen die Erzengel, um Harriet, die Gestorbene, zu begleiten. Sie ist noch nicht bereit, fühlt sich schuldig, weil sie nichts geleistet hat. Sie glaubt nicht an Vergebung. Die Erzengel nehmen sie dennoch mit gen Himmel, und das Spiel kehrt zur Realität zurück: Der Schlafwagen Pegasus hat sein Ziel erreicht, das Leben geht weiter.
Thornton Wilder
Schlafwagen Pegasus
Stück in 1 Akt (abendfüllend)
(Pullman Car Hiawatha)
(Pullman Car Hiawatha)
Deutsch von Herberth E. Herlitschka
9 D, 12 H, 1 Dek