Roy Bar, das stand einst in krummen roten Buchstaben an einer blauen Holztür mitten im Hafenviertel von Valletta. Und für Roy, einen wohlhabenden, saturierten und vom Leben, der Liebe und seinem Erfolg gelangweilten Pianisten, war das kein Zufall. Aus einer Laune heraus hat er die maltesische Rotlichtbar, die seinen Namen trug, einfach gekauft und sich dort, während seine Geliebte Alice im Hotel voller böser Vorahnungen wartete, betrunken. Seither hat er mit dem Trinken offenbar nie mehr aufgehört. Auch nicht auf den Konzertreisen, auf denen Alice ihn schon nicht mehr begleitete. Und auch nicht, als die Musik unter seinen Fingern zu zerrinnen beginnt, ebenso wie die Liebe seiner Gespielinnen.
Nun ist Roy zurück in der Roy Bar, seltsam aus der Zeit und ebenso aus all seinen Erinnerungen auf den harten Kneipenboden dieser dumpfigen Kaschemme gefallen. Und trifft dort die Menschen aus seiner Vergangenheit. Seine Geliebte Alice erscheint ihm, die sich seinetwegen das Leben nahm und der er nicht verzeihen kann. Und die Bardame, die er irgendwann engagierte, an die er sich aber nicht mehr richtig erinnern kann. Eine Schönheit im Abendkleid tritt auf, die ihn verließ, weil er nur trank, statt sein Talent an gemeinsame Kinder zu vererben. Ein Mann mit Henkerskapuze, eine weitere Ex-Geliebte, Kellner und Kellnerinnen, der frühere Barbesitzer und die Prostituierte Malicia, die er in jener ersten Nacht in der Roy Bar quasi zum Tode verurteilte – ein bizarrer Reigen von Toten und Untoten. Und alle haben sie Roys Lebensweg irgendwann mal gekreuzt. Nur wo? Und warum? Und wieso hat jeder von ihnen eine andere Wahrheit? In diesem skurrilen Szenario unter den ständigen Gesängen der sieben angetrunkenen Baritone findet Roy ganz langsam heraus, wie es wirklich war. Oder wie es vielleicht gewesen sein könnte?
Helmut Krausser
Roy Bar
Schlager und Tragik.
6 D, 4 H, sieben angetrunkene Baritone (durch Puppen und Tonband ersetzbar), 1 Dek
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