Philoktet auf Lemnos, ein griechischer Held, erhofft fürchtend Odysseus. Lucy, eine Kriegsberichterstatterin, erhofft freudig Sensationelles. Rainer, ein Ex-Bergsteiger, erhofft zwanghaft eine Ablichtung des auch Yeti genannten Chemo. Philoktets Wunde, eine am Strand Vergrabene, erhofft sehnsüchtig ihre Resozialisierung. Des Helden Entschluss allerdings steht noch aus. Sophokles oder Müller? Held oder Antiheld? Herakles Bogen, von Philoktet geführt, verfehlt sein Ziel. Der Pfeil steckt im Hals der Journalistin, nennenswerte Defekte gibt es keine. Ein Liebesbeweis? Philoktet ist sich nicht sicher, sie verging sich am Tee des Odysseus. Die Isolation der Insel verbindet und so treffen sich alle am Strand. Odysseus taucht auf, als Philoktet schon längst gegangen ist. Die Schlacht um Troja ist Vergangenheit und der Tee ist nicht seine Sache. Alt ist Odysseus geworden und senil. Vom Kampf ist keine Rede mehr. Philoktet? Wer ist das? Der Mythos hat eine neue Variante.
"Tief im Reich des Chemo supplementiert ein Glas Milchtee vor dem Lichtbild des Dalai Lama die Abwesenheit des heiligen Zentrums. Dieses Glas, aus dem niemand trinkt, ist nichts anderes als die Anwesenheit der Abwesenheit, der Mangel, ein Aufschub, der die Gestrandeten immer wieder und wieder an den Strand von Lemnos spült. Philoktet kann nachlesen, wo alles schon geschrieben steht. Aber die Schrift löst sich nicht ein. Stattdessen sind die Aussätzigen zuallererst sich selbst ausgesetzt. Die Tragödie ist dieser, ihr eigener Aufschub. Die Wunde eitert derweil am Strand, hinterm Horizont duckt sich der ausbleibende Feldherr, Zentrum der Gravitation im inneren Abgrund: Odysseus." (David Lindemann)
David Lindemann
Provinz der Märtyrer
Ein Geländespiel
3 D, 3 H
frei zur UA