Auch J.M. Barrie ist einer der "verlorenen" Jungs. Nach dem Tod des älteren Bruders hörte er auf zu wachsen,um im Leben dann nie mehr größer als 152 cm zu werden. In seinen Geschichten hängt er dem verlorenen Bruder nach, der sich in sein Neverland davon gemacht hat; in ein Leben ohne davor und danach, ohne Freunde, Geschwister, Vater und Mutter.
In dem oft so eigenartig diffus und unbestimmt bleibenden Erzählgespinst des Romans tauchen jäh, knapp, radikal, die großen, unnennbaren Schrecken der Kindheit auf. Empfindungen von Verlust und Tod.
Und die Familie, der vermeintliche Ort der Geborgenheit, wirkt beinahe surreal, ganz seelenlos und hohl. Eigentlich repräsentiert hier Familie die Umkehrung von Geborgenheit; die Kinder wirken etwas verloren in dieser Realität. Sie sind genährt und werden versorgt und wirken im Innersten doch unbehaust, wie nicht ganz da. Nimmerland ist keine nette kleine Flucht, kein verspieltes mal eben Ausbüchsen in die Phantasie. Nimmerland bedeutet eine ziemlich verzweifelte Suche nach Leben, nach einem Ort, an dem man diesem Zustand der Unwirklichkeit entkommt.
Peter Pan ist düster und schön und geht in der Wahrnehmung, wie verloren Kinder in ihrer Existenz sein können, weit über den Denk- Horizont seiner Zeit hinaus. Vermutlich ist das der tief anrührende Nerv des Stückes - kindliche Wahrnehmungen der Verlorenheit und daraus entstehend ein Bewußtwerden von der eigenen Identität.
ent … (Ulrich Zaum)
Ulrich Zaum
Peter Pan und die Insel der verlorenen Jungs
frei nach James M. Barrie
6 Darsteller
UA: 26.11.2011 · Deutsches Theater Göttingen · Regie: Joachim von Burchard