Lange Zeit herrschen Dunkelheit und Stille, die Kehrseiten des Theaters. Erst allmählich, zaghaft zeichnen sich Konturen ab, schemenhaft. Eine Fokussierung, ein Innehalten, scheint nicht möglich. Die Personen sind auf ihre eigene Unschärfe bedacht. Namen, Orte, Geschichten finden hier niemals festen Boden, der Versuch, sie zu erden, muss scheitern; und doch entsteht genau daraus neues Terrain: Niemandsland. Schwarzes Gras. Freies Feld. Ein ehemaliger Grenzstreifen? Ein Minenfeld, vielleicht. Die Grenze jedenfalls wurde entfernt.
Nanou, eine junge Frau, sitzt dort. Sie ist gefesselt. Sie wartet. Sie trägt all ihre Kleider übereinander. Sie möchte fliehen.
Ein Fremder kommt. Eine seltsam gekrümmte Gestalt: Färber. Er beschreibt den Ort aus seiner Erinnerung, es ist der Ort der eigenen Vergangenheit. Mit Absicht lässt er sich davon gefangen nehmen. Er will daran zu Grunde gehen. Und dazu benutzt er die dritte Figur des Stücks: Jeep. Färber lässt sterben. Jeep hilft ihm, ohne es zu wollen, ohne es zu ahnen, dass der alte Mann sein Vater ist.
Da steht längst eine Leuchtrakete rot am Himmel: Nanou ist fort.
Wolfgang Maria Bauer
Nanou
1 D, 2 H, 1 Dek
UA: 28.11.1998 · Staatstheater Stuttgart (Theater im Depot) · Regie: Christoph Zapatka
Übersetzt in: French