ich hatte ihr gesagt, dass ich sie nur schlecht verstehe. sehr schlecht. was sollte ich denn tun, ich konnte weder fortrennen, noch zurückrufen. sie sprach von einem unerklärlichen vertrauensbruch, unerwartet und unfassbar. nach so vielen jahren. und ich ging inmitten dieser menge von enttäuschten, lauten menschen in eine richtung, in die ich gar nicht wollte, weil nichts anderes möglich war. ich war heilfroh, als ich die telefonzelle sah. ich geh mal schnell mit dem handy in eine telefonzelle, sagte ich. hier drinnen ist es leise und ich kann ungehemmt laut reden. sie lachte kurz. die letzten sonnenstrahlen schienen durchs glas, es war windgeschützt, wärmer als draussen. ich dachte, endlich. endlich so etwas wie ruhe, vielleicht kann ich das schlimmmste noch abwenden,
vielleicht kann ich – plötzlich diese lockigen haare an der scheibe. einer drückt ein mädchen an die telefonzelle. 16,17,18 jährig. dann liegt sie am boden, keinen halben meter vor meinen füssen. er tritt
immer wieder in ihren bauch, als wolle er ein kind darin heraustreten. ich schreie, will dazwischen. doch er steht über ihr, hält die tür zu und tritt sie. die leute gehen eiligst links und rechts der telefonzelle vorbei, sehen nichts, hören nichts. verdammte scheisse. ich muss raus. ich muss. seither, ja seither ist es anders. mein therapeut sagt mir, du verstehst doch, wie die welt funktioniert. ich schüttle den kopf und denke, der, der im kirchenchor haydn gesungen hat, war ein anderer, nicht ich. (Sabine Harbeke, April 2007)
Sabine Harbeke
mundschutz
Auftragsarbeit für das Theater Basel
2 D, 3 H, 1 Musiker
UA: 19.04.2008 · Theater Basel · Regie: Sabine Harbeke