"Ich kann nicht schlafen. Meine Kehle ist trocken wie eine ausgedörrte Flunder. Stirn und Hände sind schweißgebadet. Ein unerträglicher Zustand. Ein elendes Leiden.
Man kann es nicht beschreiben. Es tut nicht weh, es ist einfach das ganze Ich, was davon erfasst ist. ...
Helen hat doch immer eine Flasche Rotwein für ihre Saucen im Küchenschrank versteckt. Genau, da ist ja, was ich brauche. Noch halb voll.
Ich nehme aber nur zwei, drei kleine Schlücke. Sonst merkt sie´s morgen.
(Horcht, ob er Schritte hört.)
Hoffentlich wacht sie nicht auf.
(Trinkt. Hält erneut die Flasche gegen das Licht.)
Nur noch ein schäbiger Rest. Der lohnt sich auch nicht mehr. Sie merkt es sowieso.
(Trinkt auch den aus.)
Ich besorge gleich morgen früh eine neue Flasche, schütte die Hälfte weg und stelle sie statt dieser hin. Die hier lass ich verschwinden. Hoffentlich kann ich einen Wein von der gleichen Marke bekommen. Wenn nicht, fülle ich den neuen Wein einfach bis zur Hälfte in diese Flasche. Die andere Hälfte werf´ ich weg.
(Lächelt listig und erleichtert.)
Tja, gewusst wie. Jetzt werde ich bestimmt gut schlafen."
Ein Mann, eine Flasche, und viele gute Gründe.
Ein Mann beim Frühstück - middle class, robust, Vertreter. Die Geschäfte gehen nicht gut. Schnell einen Schuss Whisky in den Kaffee gegen das Händezittern. Der Flachmann wandert in die Hosentasche. In der nächsten Szene ist er den Führerschein los, damit auch den Job und wenig später Frau und Kinder.
Schluck für Schluck vollzieht sich der unaufhaltsame Abstieg Roberts, begleitet von Selbstüberschätzung, Selbstmitleid und Selbstbetrug.
"Morgen hör´ ich auf", macht sich der trinkende Handelsvertreter auf dem absteigenden Ast jeden Tag aufs neue vor.
Eddie Cornwell
Morgen hör ich auf
Psychogramm eines Trinkers
1 H, 1 Dek
UA: 1987 · Studiotheater München (unter dem Titel Tagebuch eines Trinkers) · Regie: Andrea Dahmen