Am 22. Oktober 1940 wurden in Bruchsal alle verbliebenen Jüdinnen und Juden verhaftet. Sie hatten eine Stunde Zeit, um das Allernötigste zu packen, ehe sie durch die Stadt zum Bahnhof getrieben und von dort in das Internierungslager Gurs deportiert wurden. Unter ihnen war das dreizehnjährige Mädchen Edith mit seiner Mutter. Auf einem Propagandafilm sieht man sie deutlich mit einem kleinen runden Koffer in der Hand, der aussieht wie eine Hutschachtel. Lisa Sommerfeldt hat aus Gesprächen mit Zeitzeugen, privaten und historischen Dokumenten die Lebensgeschichten von Edith und ihren Verwandten rekonstruiert und sie zu einem schmerzhaften, präzisen Erinnerungstext montiert.
Edith Leuchter, geborene Löb, überlebte die Shoah. Mit Hilfe des OSE (Œuvre de secours aux enfants) konnte sie aus dem französischen Lager befreit werden und sich bis zum Kriegsende versteckt halten. Ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder Heinz, der noch eine Zeit lang in einem Frankfurter Kinderheim geschützt war, wurden in Auschwitz ermordet. Ihr Vater konnte vor Kriegsausbruch in die USA auswandern, von wo aus er vergeblich versucht hat, die nötigen Papiere für die Ausreise seiner Familie zu organisieren. Lange Jahre kämpften Edith Löb und ihr Vater um Wiedergutmachung, für die sie immer neue Nachweise erbringen mussten.
Die Autorin zitiert auch aus den Schreiben der bundesdeutschen Verwaltung: „Als entschädigungsfähige Haft wird anerkannt: 10 Monate und 17 Tage. Nach § 17 Abs. 1 BEG beträgt die Geldentschädigung für jeden vollen Monat erlittener Haft 150,-- DM.“
Lisa Sommerfeldt
Mädchen mit Hutschachtel
3 D, 1 H
UA: 13.10.2022 · Badische Landesbühne · Regie: Petra Jenni