Die Frage nach widerfahrenem Unrecht und der entsprechenden Wiedergutmachung durchzieht Kleists "Michael Kohlhaas". 1810 erschienen, wurde dieser Aspekt des Textes zum Steigbügelhalter unterschiedlichster Bewegungen, die sich den Kohlhaas zu eigen machten: seien es die Nationalsozialisten, die Arbeiterbewegung oder gar die 68er. Wie und mit welchen Mitteln reagiert man auf Unrecht? Wo beginnt Gerechtigkeit und ab wann wird sie zur Selbstjustiz? Die Kleist’schen Fragen scheinen aktueller denn je, denkt man nur an die gesellschaftlichen Verwerfungen während des pandemischen Geschehens, das von vielen Menschen als unrecht erlebt wurde und wiederholt die Frage aufwarf, ob der Staat im Recht ist. Die Skepsis unserer Demokratie gegenüber durchzieht viele Bevölkerungsschichten, und ein Riss geht durch Familien und Häuser und lässt auch das Theater nicht aus.
Für seine neue Auftragsarbeit verlegt Björn SC Deigner den Text Kleists in das Theater selbst: Auf der Probe eines Liebhabertheaters wird aus der harmlosen Erörterung der Textfassung des "Kohlhaas" eine unversöhnliche Diskussion. Die Frage, wo Zensur beginnt, wo Diskurs aufhört und wie man sich sprachlich überhaupt noch begegnen kann, wenn man unterschiedlicher Auffassung ist, bringt die Kleist’sche Frage nach Recht und Unrecht von der Bühne ins Ensemble. (Ankündigung des Staatstheaters Meiningen)
Björn SC Deigner
Kleists „Kohlhaas“ dargestellt durch das Liebhabertheater „Die freche Distel“
Auftragsarbeit für das Staatstheater Meiningen
2 D, 2 H
UA: 25.5.2024 · Staatstheater Meiningen · Regie: Cornelius Edlefsen