Ewald Palmetshofer

hamlet ist tot. keine schwerkraft
Das Stück entstand im Rahmen der wiener wortstaetten
3 D, 3 H
UA: 22.11. 2007 · Schauspielhaus Wien · Regie: Felicitas Brucker
Die Dani und der Mani kommen nach Hause. Die Oma hat Geburtstag und außerdem ist grad der Hannes gestorben, ein Freund von früher. Und so feiert man Geburtstag und geht dann noch auf ein Begräbnis. Und auf dem Friedhof treffen Dani und Mani zufällig die Bine und den Oli. Lange nicht mehr gesehen, seit damals, als der Oli mal sehr eng mit dem Mani und die Dani sehr eng mit der Bine und alle sehr eng miteinander. Und der Oli irgendwie auch interessiert an der Dani, aber die war halt die Schwester vom Mani und da wollte er sich nicht die Finger verbrennen. Bei der Bine war das ungleich leichter. Deshalb sind die jetzt auch verheiratet. Und irgendwie ist da für Dani und Mani nichts übrig geblieben. Und auch sonst nirgendwo. Fast so tot wie der Hannes sind sie, weil keiner mehr mit ihnen rechnet. Die Mutter träumt vom Muttermord. Der Vater vom totalen Anfang. Da muss doch endlich einmal was passieren. Und auf Hilfe von oben kann man nicht warten, weil der Himmel leider leer ist. Und drum muss vielleicht nur eine Schnur gespannt werden, um endlich einmal alles in Bewegung zu bekommen. Und es sterben ja dauernd Leute. Zigtausende. In Afrika zum Beispiel.

hamlet ist tot. keine schwerkraft befasst sich mit dem menschlichen Verkrampfen im Ungewollten, mit dem Stillstand in der Perspektivlosigkeit. Der Himmel ist leer. Das Naturgesetz höchstens ein lyrischer Witz. Und keine Politik jenseits der eigenen Befindlichkeit. In der totalen Ökonomisierung angelangt drehen sich die Achsen schnell, die Welt ist eine Zentrifuge und Sein oder Nichtsein verliert an Bedeutung, wenn das Nichtsein schon entschieden ist. Mit eindringlicher Komik verflicht Ewald Palmetshofer Sprache und Rhythmus zu einer Bedrohlichkeit, die letztendlich nur eine Frage offen lässt: Resignieren oder Agieren?

hamlet ist tot. keine schwerkraft entstand im Rahmen der wiener wortstaetten 2007.
Übersetzt in: Arabic, Bulgarian, Catalan, Czech, English, French, Lithuanian, Norwegian, Polish, Serbian, Spanish

Journal

"Es hat der Mensch für eine Wahrheit einzutreten eine Eintrittshemmung" – Laudatio auf Ewald Palmetshofer aus Anlass des Else Lasker-Schüler-Dramatikerpreises 2018

22.10.2018
Der Dramatiker Ewald Palmetshofer erhielt am 19.10.2018 den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis für sein dramatisches Werk. Die Auszeichnung wurde im Pfalztheater Kaiserslautern vergeben. Mit folgender Laudatio würdigte seine Lektorin und Leiterin des S. Fischer Theaterverlags Friederike Emmerling den Dramatiker:    Es hat der Mensch für eine Wahrheit einzutreten eine Eintrittshemmungsagt die Junge über die Alte in Ewald Palmetshofers Stück ... mehr

Kritiken

hamlet ist tot. keine schwerkraft

Nachtkritik, 23.11.2007

Palmetshofers Stück pendelt zwischen Familien, -Inzest, -Religions-, und Gesellschaftsgeschichte. Das Bestechende daran: Es zeigt, wie all das irgendwie zusammengehört, es dem Kopf aber gleichzeitig nicht gelingt, die Zusammenhänge zu erfassen. So wie Menschen denken, lässt Palmetshofer seine Figuren sprechen: in Fragmenten, in halben und unvollständigen Sätzen, die sich mal ineinander knäulen, mal auseinander bröseln...

Süddeutsche Zeitung, 26.11.2007

Das ist die Schwerkraft des Theaters, aus der auch Hamlet wieder leben würde.

Bühne, 02/2008

Faszinierend auch der neue Ton, den Palmetshofer anschlägt: eine streng rhythmisierte Sprache, die in den Schein-Dialogen der Familienmitglieder schonungslos die Kaputtheit ihrer Kommunikation vorführt und bei den eingeschobenen Monologen in einer Art Sprechdurchfall den ganzen inneren Unflat der Figuren nach außen kippt.

Theater heute, 02/2008

Aber es gab schon lange kein so schönes Familienstück wie »hamlet ist tot. keine schwerkraft«, das einerseits alles kann, was Ibsen auch konnte langsames Entblättern der menschlichen Fassadenhintergründe [...].