Memmingen im 20. Jahrhundert. Eine Hexenjagd ist im Gange. Als Zeuginnen vor Gericht gerufen, werden fünf Frauen selbst zu Angeklagten. Die Richterin, Parteimitglied in der CSU, moralinsauer, machtbeflissen, befragt fünf Frauen zu ihren Besuchen bei Dr. Thessmann. "Haben sie ein I?" - I steht für Indikation. Die Frauen haben abgetrieben. Inquisitorisch nimmt die Richterin alles unter die Lupe, was ihr relevant erscheint: ihre Haltung zur CSU und zur Kirche, ihre Herkunft, das Sexualverhalten der Frauen. Mit der Arroganz einer Privilegierten reagiert sie gereizt, wenn etwa die Türkin ihre Fragen nicht versteht.
In den Verhören und in den Gesprächen unter den Frauen im Warteraum wird deutlich: Jede Frau hatte einen Grund abzutreiben - sozial, moralisch oder psychisch motiviert: keiner fiel es leicht, damit umzugehen. Ebenso wenig, wie es für sie leicht war und ist, mit ihren Lebenssituationen fertig zu werden. Aber keine der Gründe lässt das Gericht gelten. Die decouvrierende Befragung steigert sich noch einmal, als der Rechtsreferendar - ein Mann und überaus karrierebewusst - ins Spiel kommt. Ein Prozess als Mittel zur Erringung von Macht und Einfluss in der Politik - die Konkurrenz zwischen der Richterin und ihm wird auf den Rücken der Frauen ausgetragen - bis auch über sie die Wahrheit ans Licht kommt.
Weyh zeigt Einzelschicksale, um einen Querschnitt durch die Bevölkerung zu geben. In aufwühlenden Dialogen und Monologen kommen einem die Figuren nahe, ohne dass Weyh in Betroffenheit schwenken muss. Der Zynismus einer Gesellschaft, in der jeder schon mit sich allein vollauf zu tun hat, wird greifbar. Das Schauspiel, auch ein Spiel mit Formen, kippt zur bitterbösen Farce.
Florian Felix Weyh
Haben Sie ein I ?
7 D, 1 H, Verwandlungsdek