Das Leben als Wahn, der Mensch und seine Selbsterhaltung: Widner schickt in seinem neuen Stück vier Stegreifkomödianten in ein geistreiches, tragi-komisches Worthülsengefecht. Diese Veteranen mit Revoluzzerposen und Zeitgenossen der Zukunft zelebrieren ihre bissigen Pointen und Anekdoten über die Freuden der Zivilisation: Unterhosengeschichten, der glückliche homo religiosus, Leben auf Europa, der Orgasmus als ein Welterfolg, der Orgasmus als Gottesbeweis, der Tod als Zwischenfall und das Brot der Armen ... Mit desillusionierender Skepsis und spöttischem Eigensinn ziehen sie eine Bilanz auf die Schwächen und ganz alltäglichen Auflösungserscheinungen einer Gesellschaft. Den Willen zur Gesellschaftsänderung - "die Menschhaftigkeit leugnen, die Tagtäglichkeit nützen, die Alphabetisierung rückgängig machen, die Rudelgänger ausschließen... " - skizziert Widner mit Leichtigkeit als parodistische Geste mit anti-aufklärerischem Impetus.
Schlichte Gemüter in einer Spirale von Dauergerede: Widner montiert aphoristische Sentenzen, improvisierte Dialoge, Paraphrasen und absurde Wortspiele zu einem stürmischen Streichquartett für vier Stimmen, "eine Fingerübung für virtuose Darsteller" (Widner).
Alexander Widner
Gras dem Vieh und Fleisch den Menschen
Spiel in 3 Sätzen
1 D, 3 H, 1 Dek
UA: 03.03.1999 · Klagenfurter Ensemble · Regie: Maximilian Achatz