In dem ersten Theatertext von Roland Schimmelpfennig wird hart gekämpft um geheimnisvolle Objekte, um den Fisch, um die Existenz. Ohne Umwege beginnt die Handlung: "Gib mir die Schuhe" fordert der junge Mann vom alten und bricht ein in seine Hütte, unversehens. Fische will er fangen, mitten im Winter, die blauen Heringe unter dem Eis. Dazu braucht er Dinge, die das junge Mädchen auf seinen unsichtbaren Wegen findet. Sie sind greifbar, sichtbar, nützlich und festumrissen. Dennoch verwandeln sie sich unter dem Blick der Menschen wie im Märchen. Aus einem Löffel wird ein Ruder, ein Schlüssel aus Gold und Silber. Das junge Mädchen klettert aus dem Küchenfenster hinaus, springt auf steilen Wegen über hohe Felsen. Der junge Mann kommt und verschwindet durch Wände oder unsichtbare Türen. Der alte Mann sitzt in der Hütte und sieht nichts. Ein Fremder erscheint in der Ödnis und begegnet dem jungen Mädchen. Mit ihm möchte es tanzen, aber er geht fort. "Das kann doch nicht sein, daß jemand einfach verschwindet." Der Fremde ist der "Mann draußen". Er kommt und geht. "Der Mann draußen" bleibt draußen. "Es ist niemand draußen," sagte der alte Mann und teilt den wundersam sprechenden Fisch für die drei.
Roland Schimmelpfennig erzählt eine Geschichte voller Rätsel, legt Spuren, die zu keinem Ziel führen und denen man dennoch mit Spannung folgt, erfindet Figuren, die real erscheinen und sich geheimnisvoll jedem Zugriff entziehen. Eine Sprache ohne Schnörkel, verständlich und sinnvoll, dennoch hermetisch verschlossen gegenüber jedem offenbaren Sinn.
Fisch um Fisch (1997 ausgezeichnet mit dem Else-Lasker-Schüler-Förderpreis) ist spannend wie ein Krimi, fern wie ein Mythos, verschlüsselt wie ein Zauberspruch und unschuldig wie eine Kindergeschichte.
Roland Schimmelpfennig
Fisch um Fisch
1 D, 3 H
UA: 08.05.1999 · Staatstheater Mainz (TIC) · Regie: Roland Schimmelpfennig
Übersetzt in: Catalan, Spanish