Die Figuren in Dostojewskis Roman Erniedrigte und Beleidigte weben ein Gespinst von Beschämungen und Demütigungen zwischen sich, das die gesamte Klaviatur sozialer Deklassierung umfasst.
Der erfolglose Schriftsteller Wanja leidet an der unerfüllten Liebe zu Natascha, die sich ihrerseits in eine unglückliche Beziehung zum charakterlosen Jüngling Aljoscha stürzt. Das wiederum ruft dessen skrupellosen Vater auf den Plan, ein Netz von Intrigen zu spinnen.
In der Dramatisierung des Romans, die für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg Platz in Berlin entstanden ist, treibt Jens Roselt das kolportagehafte Spiel auf die dialogisch pointierte Spitze. Jeder fixiert jeden. Man belauert sich und steht mit all seinem Unglück bloß vor den Anderen. Die Figuren richten sich in ihrem Leid ein, durchschauen die eigene Situation und finden doch keinen Ausweg. Eine Gesellschaft von Versagern wird vorgeführt, deren Mitglieder in ihrem alltäglichen Umgang jene Normen reproduzieren, die sie erst zu Versagern machen. Wer hier seine Gefühle ausdrücken will, riskiert, sich selbst öffentlich anzuprangern. Diese soziale Härte wird in der Sprache erfahrbar, mit der die Menschen versuchen, sich näher zu kommen. Entstanden ist so eine kantige Spielvorlage, die Schroffheit und Poesie unversöhnt nebeneinander stellt.
Fjodor M. Dostojewskij
Erniedrigte und Beleidigte
Für die Bühne bearbeitet von Jens Roselt
4 D, 7 H, Verwandlungsdek
UA: 2001 · Wiener Festwochen / Volksbühne am Rosa- Luxemburg-Platz, Berlin · Regie: Frank Castorf