„Lieber H.!
... Du bist ein großer Künstler, und das glaube ich, ist es auch, was
mich von Dir trennt. Ein wenig macht es mir nämlich Angst, daß
der Herbert, den ich liebe – immer noch und für immer – mehr und
mehr sich auflöst in der Kunst. Die gefährlichste Rivalin ist die
Kunst. Sich mit ihr zu verbinden, meine einzige Chance ...
Ich tu, was ich kann, aber bei einer Schildkröte geht eben alles
etwas langsamer... So zaghaft, und es scheint mir manchmal unendlich
viel zu langsam, beginne ich, die Frau in mir zu lieben, die
Frau, die ich sein kann und will, wenn es mir endlich und hoffentlich
bald gelingt, mich von dem anerzogenen Bild der untertänigen,
demütigen Sklavin zu befreien, zu erlösen. Und nur in der Qual des
Alleinseins, getrennt von Dir, ,meinem besseren Ich’, wird es mir
gelingen.
Du hast mich so durcheinandergebracht ..., daß ich seit Wochen
über diesem Brief sitze... Und immer wieder schreibe ich ein
Stückchen dazu, dann denk ich, so ist es nicht gut, dann wieder
doch, schreib, wie Dir ist, und sag ihm alles, was in Dir vorgeht,
jetzt endlich, wo Du es so viele Jahre nicht getan hast und doch
hättest tun sollen, weil es das Beste und einzig Richtige gewesen
wäre ...“
Herbert Achternbusch
Einklang
1 D, 1 H
UA: 26.05.2007 · Ruhrfestspiele Recklinghausen in Koprod. mit dem Forum Stadtparktheater Graz · Regie: Ernst Binder