Cosimo Dalbo schwärmt nach seiner Pilgerfahrt auf dem Nil von der „Extase des Lichts“. Er erklärt die Sphinx als doppeltes Symbol für erhabene Einsamkeit bei Nacht und ermüdende Banalität bei Tag. Sein bester Freund Lucio kann nicht anders als die pathetischen Worte auf seine Lage zu beziehen. Er selbst hat als Bildhauer ein überragendes Kunstwerk geschaffen, dann aber einen Selbstmordversuch gemacht. Seine Zerrissenheit zwischen der alles andere negierenden Liebe zur Gioconda, seinem Modell, und der liebenden Dankbarkeit gegenüber seiner Ehefrau entspricht dem Bild, das Cosimo von der Sphinx zeichnet. Die Polarität von Künstlertum und bürgerlichem Leben – für Lucio ist sie nicht aushaltbar.
Seine Frau Silvia, berühmt für ihre schönen Hände, ringt um Lucio. Zuletzt weiß sie sich keinen anderen Rat, als die Gioconda im Atelier ihres Mannes zur Rede zu stellen. Dort sieht sie zum ersten Mal die von Lucio geschaffene Statue. Ihre Ergriffenheit ob der Schönheit der Statue bestärkt sie in der Annahme, Lucio retten zu müssen. Die Gioconda dagegen weiß, dass nur sie selbst das Werkzeug sein kann, Lucio zu Inspiration zu verhelfen. Der Kampf der beiden Frauen endet in einer Katastrophe: Silvia verliert ihre Hände in dem Versuch, die stürzende Statue zu retten.
D’Annunzio hat seine Tragödie Eleonora Duse gewidmet, die, so will es die Legende, die einzige Geliebte des Autors war, die nicht dem Wahnsinn verfiel. Die Gioconda ist das Werk eines exzellenten Symbolisten und Neuromantikers. Nachhaltige Symbole, eine expressive Sprache und starke Rollen – die großen Gefühle des Fin de Siècle leben hier weiter.
Gabriele D'Annunzio
Die Gioconda
Tragödie in 4 Akten
( La Gioconda)
( La Gioconda)
5 D, 3 H, 3 Dek
DSE: 22.01.1900 · Neues Theater, Berlin