Den mittelalterlich-legendären Stoff des Lustspiels entnahm Zuckmayer den "Deutschen Volkslegenden vom Niederrhein". Der Schelm von Bergen, der Scharfrichterssohn Vincent, verliebt sich ahnungslos in die junge, schöne Kaiserin, die ihrerseits ebenso ahnungslos über die niedere Abkunft des Geliebten ist. Als sie von ihm ein Kind erwartet, wird er auf einem Hoffest entlarvt und vor den Kaiser gebracht. Dieser aber lässt ihn wider Erwarten nicht bestrafen, schlägt ihn vielmehr zum Ritter und erhebt ihn in den Adelsstand. Auch dem Fehltritt der Gattin nimmt er den Makel des Anstößigen: "Niemals kann sie an Seel und Leib erniedrigt werden, durch die Berührung einer niedren Hand. Doch wer von ihr berührt wird - ist geadelt!"
Zuckmayers Version betont die humanitären Aspekte des Stoffs. Zwar wird das lustspielhafte politische Moment in dem nicht nur humanen, sondern auch klugen Akt des Vergebens - die bevorstehende Niederkunft seiner Frau rettet den betagten Kaiser aus ernsten dynastischen Schwierigkeiten - keineswegs unterdrückt. Aber das Hauptinteresse des Autors gilt dem Umstand, dass der Henkerssohn durch eine reine, hohe Liebe von dem Fluch seiner schrecklichen "Zunft" erlöst wird.
Carl Zuckmayer
Der Schelm von Bergen
Schauspiel in 3 Akten und 1 Vorspiel
6 D, 27 H, St, 8 Dek
UA: 04.06.1950 · Staatstheater Stuttgart