Zu Beginn des Stücks ist die Hauptfigur Thomas Dunne, des Autors Urgroßvater, ein alter Mann, eingesperrt in der Irrenanstalt seiner Heimatstadt Wicklow. Seine Gedanken kreisen immer wieder um die Vergangenheit, und so erfahren wir allmählich die Hintergründe seiner Situation.
Als loyales, unkritisches Mitglied der Dublin Metropolitan Police - folglich als Katholik im Dienste der Briten - war er beteiligt an der gewaltsamen Niederschlagung des Streiks von 1913. 1922 war er Polizeichef, als der Revolutionsführer Michael Collins in das Schloss von Dublin, dem Zentrum der Britischen Macht, zog und somit einen Bürgerkrieg auslöste, der Irland die Unabhängigkeit brachte und in dessen Gefolge die Polizei aufgelöst wurde.
Dunnes Tragödie ist, dass seine blinde Loyalität zur Ordnung, den Zeremonien und der Ethik der Polizei ihn in Konflikt brachten mit seinen republikanischen Landsleuten. Erst, als er "verrückt" und alt ist, beginnt er zu begreifen, dass diese eiserne Unflexibilität nicht nur sein öffentliches, sondern auch sein Familienleben beschädigt hat: von seinen drei Töchtern ist eine nach Amerika entflohen, eine andere hat sich in Depressionen geflüchtet, und nur die bucklige unverheiratete Annie ist geblieben, um sich seiner anzunehmen.
Sebastian Barry
Der Hüter des Abendlandes
(The Steward of Christendom)
Deutsch von Martin Michael Driessen
4 D, 4 H, 1 Dek
UA: 30.03.1995 · Royal Court Theatre Upstairs, London · Regie: Max Stafford-Clark
frei zur DSE