Auf der Isla Negra in Chile steht das kleine Haus, in dem Pablo Neruda lebte. Heute ist es ein Ort des Andenkens. Und in diesem Museumshaus wachen zwei Menschen, Arturo und Malva. Sie sitzen, sie stehen, sie geben Acht, sie erklären, sie träumen. Tagein, tagaus. Es kommen die merkwürdigsten Besucher, es geschehen die seltsamsten Dinge. Durchflochten wird die Mystik derer, die sich in Betten von großen Künstlern lieben, die Seifen aus erotischen Bädern klauen, die umgeben sind von Zikadenhaus und Narwallhorn, mit Briefen von Nerudas Mutter an ihren geliebten Sohn. Voll Sorgfalt und Liebe begleitet die früh Verstorbene den Lebensweg ihres Pablo und spricht ihm in einer poetisch berührenden Sprache Mut zu. Die Geliebte bedauert, dass sie Neruda nicht getötet und somit für immer zu dem ihren gemacht hat. Und als dann Malva auf der gestohlenen Seife ausrutscht, das Zikadenhaus zu Fall kommt, Arturo Malvas lange Beine streichelt und erkennt, dass der größte aller Käfer entflohen ist, erfüllen sich ihre Sehnsüchte im Traum. Arturo geht mit dem Boss auf Welttournee und nimmt all die Menschen mit, die jemals in seinem Bus gefahren sind. Malva aber wohnt nun in Nerudas Haus, bis eines Tages die Tränen der kleinen Holzfigur das Häuschen überschwemmen und es wie von Zauberhand kreiselnd in der Ferne des Meeres verschwindet.
Roland Schimmelpfennig schrieb gemeinsam mit Justine del Corte im Auftrag des Nationaltheaters Santiago de Chile Canto minor, ein Stück über den chilenischen Literatur-Nobelpreisträger Pablo Neruda zu dessen 100. Geburtstag.
Justine del Corte, Roland Schimmelpfennig
Canto minor
1 D, 1 H, oder auch mehr
UA: 12.05.2004 · Chilenisches Nationaltheater als Gastspiel beim Mülheimer Theatertreffen · Regie: Raúl Osorio
Übersetzt in: Spanish