Man bleibt beisammen, auch wenn man sich nicht mehr versteht und vielleicht sogar noch nie verstanden hat. Man klammert sich aneinander und an die längst vergangenen Träume und spielt sich etwas vor. Jeder Versuch, sich zu nähern, schlägt ins Gegenteil um und vergrößert die Kluft nur noch - Familie in ihrer verspannten Form, ein unfrei angepasstes Korsett, das man nur schwer sprengen kann.
Cherry, ein erfolgloser Vertreter und in seinem Beruf vollkommen falsch am Platz, verkündet seiner Familie, dass er gekündigt hat. Er will zurück auf's Land, will endlich einen Obstgarten bewirtschaften. Somerset ist sein großer Traum. Tom und Judy, die fast schon erwachsenen Kinder, begegnen ihm nur mit Missachtung. Seine Frau Isobel weiß, dass er niemals selbst kündigen würde - einer seiner vielen Wunschträume. Desillusioniert und langmütig erträgt sie seine Scheinwahrheiten. Erst, als sie erfährt, dass Cherry einem wartenden Verkäufer von Bäumen gegenüber die Lüge vom eigenen Grundstück aufrecht erhält, verzweifelt sie. Wenn sie Kraft hätte, würde sie ihren Mann verlassen.
Einen Monat später: Cherry stiehlt seiner Frau Geld für den nächsten Gin. Isobel verdächtigt Tom, später auch Judy. Tom hat von den Vertuschungen der ganzen "kleinen Szenen" in der Familie genug. Er besteht auf seiner Unschuld. Isobel muss erkennen, dass ihr Mann das Geld gestohlen hat - und dass er vor einem Monat tatsächlich gekündigt wurde. Sie macht einen energischen Versuch, Cherry vor der Trinkerei und der endgültigen Resignation zu retten. Sie will ihm das ermöglichen, wovon er schon sprach, als sie sich kennenlernten: ein Leben auf dem Land. Aber er greift nicht zu. Somerset war immer schon eine Lebenslüge.
Robert Bolt
Blühende Kirschen
Schauspiel in 2 Akten
(Flowering Cherry)
(Flowering Cherry)
Deutsch von Hermann Stiehl
3 D, 4 H, 1 Dek
UA: 04.11.1957 · King's Theatre, Edinburgh · Regie: Frith Banbury
DSE: 09.10.1958 · Thalia Theater, Hamburg · Regie: Willy Maertens
DSE: 09.10.1958 · Thalia Theater, Hamburg · Regie: Willy Maertens