"Die Bretter, die die Welt bedeuten, stehen im Zentrum von Roland Schimmelpfennigs Stück. Aber schon Pierre Boulez, der große Komponist und Dirigent, hatte vor Jahrzehnten Bretter vor dem Kopf, als er empfahl, alle Opernhäuser in die Luft zu sprengen. Freilich, Boulez wollte das eigentlich gar nicht - und Schimmelpfennig erst recht nicht, nicht einmal die Schauspielhäuser. Sonst hätte er nicht so ein Stück geschrieben. Sonst hätte er nicht aus dem Schatz seiner Bildung geschöpft, aus allen "Bäumchen, wechsle dich"-Spielen von Shakespeares Sommernachtstraum über Woody Allens Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie bis zum Park von Botho Strauß. "Trefft mich in dem Schloßwalde, eine Meile von der Stadt, da wollen wir probieren.", heißt es im Sommernachtstraum. Was probiert Schimmelpfennig?
Händereibend beschreibt er einen Theaterintendanten, der sein Theater abfackelt. Der Intendant erlöst sich von der verpflichtenden Kunst und geht in den Wald. Was aber geschieht dort? Ein Theaterstück. Liebesgewirr. Das Holz, aus dem die Bretter, die die Welt und das Theater bedeuten, wird nicht gefunden. Dafür findet er die Architektin, die die Bretter fürs Theater bauen soll. Aber die beiden und ihre liebesverwirrten Wald-Partner werden zu Bäumen, zu Holz, zu potentiellen Brettern. Das Theater kann nicht sterben, wenn man Bretter-gewordene Menschen fürs Theater nicht zersägen will. Die Bäume, die Bretter wollen Menschen werden und - auf dem Theater auftreten. Aber - siehe oben - das Theater ist abgebrannt, die Menschen, die Theater wollen, sind Wald, Holz, Bretter geworden. Es geht sich nix aus. Schimmelpfennigs Stück lässt das Theater aus Liebe zum Theater sterben. Ein junger Autor greift an, was er liebt. Das ist wie in der richtigen Liebe. Das ist oftmals nur verbrettert. Und ein Ausflug in die Wälder führt zurück in die Städte, in denen die Theater zur Not auch ohne Bretter auskommen." (Gerd Jäger)
Roland Schimmelpfennig
Aus den Städten in die Wälder, aus den Wäldern in die Städte
3 D, 5 H, 2 Geister
UA: 25.04.1998 · Staatstheater Mainz · Regie: Hartmut Wickert