„Alan Balls Held ist ein emotional verletzlicher Strichjunge, der sich Omar nennt – obwohl sich das, wie vieles, was er sagt, als Fiktion herausstellt; ‚Omar’ ist ein Konstrukt, teils real, teils persönliche Fantasie und teils erfunden, um seinen Kunden zu gefallen. Als im Ausland geborener Mann mit traumatischer Kindheit – mehr wissen wir nicht wirklich von ihm – ist er bei seinen Kunden auf der Suche nach einem Geliebten, der ihn in einer Form akzeptieren würde, die seinem wahren Wesen näher käme. Das stellt sich, man kann es sich denken, als vergebliche Suche heraus. Strichjungen sind sprichwörtlich lausiges Beziehungsmaterial; ihre Kunden, ihrerseits keine Größen auf diesem Gebiet, schätzen es für gewöhnlich nicht, wenn ihre Fantasien gestört werden dadurch, dass ihr Partner seine wahre Identität einbringt. Wenn dann noch der Zorn und das soziale Unterlegenheitsgefühl dazukommen, die Omar von vorneherein emotional so bedürftig machen, und ein Kunde-Liebhaber, der fast noch verkorkster ist als er, dann stehen die Zeichen auf eine sehr holprige Talfahrt.
Balls clevere Ironie ist die, diesen Niedergang als den Amerikas zu erkennen, nicht bloß Omars. Während sich die, mit denen [Omar] eine Kommunikation aufzubauen versucht, immer weiter zurückziehen, wird er immer zorniger und aggressiver; eine Parabel auf das Entstehen eines quasi zwischenmenschlichen Terroristen. Dass Omars Herkunft irgendwo im mittleren Osten liegt, macht die weiterreichende Bedeutung deutlich.“ (Michael Feingold in The Village Voice anlässlich der Uraufführung des Stücks im New York Theatre Workshop im Februar 2007)
Alan Ball
All That I Will Ever Be
(All That I Will Ever Be)
Deutsch von Klaus Chatten
1 D, 5 H
UA: 06.02.2007 · New York Theatre Workshop · Regie: Jo Bonney
frei zur DSE