Lukas Rietzschel & Maria Milisavljevic

Nominiert für den Mülheimer Dramatikpreis 2025: Maria Milisavljević und Lukas Rietzschel

Nominiert für den Mülheimer Dramatikpreis 2025: Maria Milisavljević und Lukas Rietzschel

Wir freuen uns über gleich zwei Nominierungen für den Mülheimer Dramatikpreis 2025. Aus über 280 deutschsprachigen Uraufführungen haben die Auswahlgremien des Festivals die besten neuen Stücke der Saison ausgewählt. Herzlichen Glückwunsch an Maria Milisavljević und Lukas Rietzschel! Außerdem gastiert das Residenztheater München mit Und oder oder oder oder und und beziehungsweise und oder beziehungsweise oder und beziehungsweise einfach und von Nele Stuhler, das auch im Rahmen der Mülheimer StückeWerkstatt entstanden ist.

 


Maria Milisavljević
STAUBFRAU
Ein Theatertext für eine oder mehrere weiblich sozialisierte Personen
UA: 11.01.2025 / Schauspielhaus Zürich (Matchbox)
Regie: Anna Stiepani

 

Eine Frau, eine Mutter, die sich innerlich aufbäumt gegen die Erwartungen, die an sie gestellt werden. Sie träumt von der Flucht, der Freiheit, vom Stampfen bloßer Füße, vom Fliegen, von der Zubereitung todbringender Köstlichkeiten. Leider vergeblich. Und sie ist nicht die Erste. Drei Frauen, drei Mütter, drei Generationen, hinweggerissen vom konstanten Strom patriarchaler Demütigung und Gewalt. Dazwischen immer wieder Hoffnung, Liebe, Lachen und Zärtlichkeit - miteinander. Wie Tropfen auf dem heißen Stein.

 

„Am Ende lösen sich die Konturen der drei „Staubfrauen“ auf in einer schier endlosen Liste von gewaltsam getöteten Frauen. Manchmal drei oder vier pro Monat, allein in der Schweiz. Im Video fließen die Namen der Frauen über die an die Wand gekauerten Darstellerinnen, die Alter, die sie erreicht haben, die Schweizer Dörfer und Städte, in denen sie gelebt haben. Femizid: ein Strom, der nie versiegt. Maria Milisavljević macht das Fließen, das Sich ineinander Auflösen zur poetischen Metapher ihres Züricher Auftragswerks, das die Gewalt an Frauen zum Thema hat.“ (Theater heute)

 

„… ein Stück so zwingend, dass man es zum aufklärerischen Pflichtstoff für Schulklassen erklären wollte.“ (St Galler Tagblatt)

„Es ist die Stärke des Inszenierungsteams, der kraftvollen Spieler:innen und des trotz aller Wucht hochpoetischen Textes, dass die Generationen deutlich getrennt und gleichzeitig so miteinander verwoben werden, dass die Zeitlosigkeit des Themas jede Kalendergrenze sprengt.“ (nachtkritik)

 

„Überhaupt, dieses grandiose Sprachvermögen! Milisavljevićs Text ist realistisch durch grösstmögliche Poesie, und er ist heiter bei grösstmöglicher Seelenschwärze. Innere Monologe, Gedankenströme, Haltungen und Erinnerungen verklammern sich zu einer Vielschichtigkeit, die alle Zeiten und Gewalttaten miteinschliesst.“ (St Galler Tagblatt)

 

zum Text des Mülheim-Auswahlgremiums von Christine Wahl

 


Lukas Rietzschel
DAS BEISPIELHAFTE LEBEN DES SAMUEL W.
frei zu besetzen
UA: 20.01.2024 / Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau

 

“Dieser Abend ermöglicht, noch einmal über die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte nachzudenken”, schreibt Matthias Schmidt in MDR Kultur über DAS BEISPIELHAFTE LEBEN DES SAMUEL W. von Lukas Rietzschel. Das Auftragswerk für das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau wurde am 20.01.24 in der Regie von Schauspieldirektor Ingo Putz uraufgeführt. Der in Görlitz lebende Romancier und Dramatiker hat für das Stück über hundert Interviews mit Bürger:innen geführt. Die daraus entstandene Textcollage fächert die Geschichte der “Neuen Bundesländer” und die Frage nach “einer” ostdeutschen Identität kaleidoskopisch auf. Chorische Passagen, fließende Textkaskaden, sich in- und übereinander verschachtelnde Repliken setzen sich zu einem facettenreichen Gesellschaftsbild zusammen. Die SED kommt darin vor, der DDR-Alltag vor ‘89, aber auch die zwischen Euphorie und Überforderung changierende Nachwendezeit. Gerahmt wird der Text von einer aktuellen Oberbürgermeisterwahl in einer ostdeutschen Stadt. Samuel W. ist aussichtsreicher Kandidat einer rechtsradikalen, sich bürgerlich gebenden Partei. Auf einer Wahlveranstaltung treffen Parteikolleg:innen und Weggefährt:innen, die Presse und Wähler:innen aufeinander. Im Zentrum des Geschehens - doch im Stück nie auftauchend - Samuel W. Rietzschel lässt einen Chor aus Mitbürger:innen die Biografie eines Lokalpolitikers, die paradigmatisch für viele stehen könnte, erzählen: DDR-Sozialisation, Ausbildung in der Nachwendezeit, Karriere und Enttäuschungen im Westen. Lukas Rietzschel und das Team um den Regisseur Ingo Putz haben eine schmerzhaft präzise Theaterproduktion erarbeitet, die gesehen werden muss, gerade weil sie aktueller nicht sein könnte.  

 

„Ein Massenfight mit Worten. Ein auch spöttisches, witziges Keilen und Kontern." Rene Römer, MDR Sachsenspiegel

 

„Das Team um Regisseur Ingo Putz trägt mit einer simplen wie wirkungsvollen Inszenierungsidee dazu bei, dass man sich von den mal verbitterten, mal aber auch sehr pointierten Texten anregen lassen kann. [...] Eine überzeugende Inszenierung, die auf einer zweiten Ebene von den großen und den kleinen Fragen der Demokratie handelt." Matthias Schmidt, MDR Kultur

 

„ein großartiger lustiger, beunruhigender Theaterabend …was für ein Abend hier am Rande von Deutschland im Schnee, während anderswo Hunderttausende demonstrieren“ Volker Weidermann, Die Zeit

 

zum Text des Mülheim-Auswahlgremiums von Franz Wille


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