Christopher Durang

Ein hyperliterarischer Narr und anarchischer Clown: Christopher Durang zum Abschied

Ein hyperliterarischer Narr und anarchischer Clown: Christopher Durang zum Abschied

Christopher Durang, der großartige amerikanische Dramatiker und Satiriker, ist im April gestorben. Barbara Neu erinnert an den Autor und seine „zutiefst ernsten und wahnsinnig komischen“ Stücke.

 

Christopher Durang, mit dem Tony Award ausgezeichneter Dramatiker und meisterhafter Satiriker, starb am 2. April 2024. Er wurde 75 Jahre alt.

In seiner mehr als 40 Jahre währenden Karriere etablierte er sich als hyperliterarischer Narr und anarchischer Clown. Thematisch sprang er zwischen Sex, Metaphysik, Serienmördern und Psychologie hin und her, und er verstand es, hohe Kunst und Witze, die viel tiefer zielten, zu vereinen.

 

»Er ist so unfassbar witzig«, sagte die Schauspielerin Sigourney Weaver, die mit Durang befreundet war und mit ihm zusammenarbeitete, seit sie ihn an der Yale School of Drama kennengelernt hatte, in einem Interview. »Man lacht vor Entsetzen über das, was vor sich geht, und über die schiere Unfähigkeit, etwas dagegen zu tun.«

 

Aber selbst in seinen witzigsten Werken - wie in seinem frühen Stück, der Sex- und Psychoanalyse-Farce TROTZ ALLER THERAPIE, oder in seinem späten Hit WANJA UND SONJA UND MASCHA UND SPIKE, einer delierierenden Hommage an Tschechow - war oft ein starker Unterton von Melancholie zu spüren.

Seine Gabe, so schrieb der Kritiker Frank Rich von der New York Times 1985, »was a special knack for wrapping life’s horrors in the primary colors of absurdist comedy«.

Christopher Durang wurde am 2. Januar 1949 in Montclair, N.J., als einziges Kind seiner Eltern geboren. Sein Vater war Architekt, und seine Mutter war Sekretärin. Die Alkoholsucht seines Vaters und mehrere Totgeburten seiner Mutter sowie ihre Phasen schwerer Depressionen gehörten zu den Kindheitserlebnissen, die Durang in BETTY, BOO UND DIE EHE verarbeiten sollte.

 

Seine Mutter brachte ihn auf den Geschmack des Theaters, indem sie ihn häufig zu Theaterstücken und Musicals mitnahm. Schon in seiner Schulzeit begann er, kleine heiter-bösartige Stücke zu schreiben (von denen ihm eines später die Aufnahme an die renommierte Yale University brachte).

In seinem letzten Studienjahr in Harvard, in einem Seminar mit dem Dramatiker William Alfred, schrieb er ein kurzes Skript, SINN UND ZWECK DES UNIVERSUMS; als es laut vorgelesen wurde, so erinnerte sich die Dramatikerin und Regisseurin Emily Mann, damals eine Kommilitonin, verkündete Alfred: »Wir werden den Namen Chris Durang kennen. Er wird eine führende Stimme des amerikanischen Theaters sein.«

 

Durang schloss 1971 sein Studium in Harvard ab und schrieb sich anschließend an der Yale School of Drama ein, wo er 1974 seinen Abschluss machte. Sein Durchbruch kam 1979 mit SCHWESTER MARIA IGNATIA KANN ALLES ERKLÄREN, einem absurden, beißenden Einakter, der stark von Durangs Jahren in einer katholischen Schule beeinflusst war (katholische Bilder und Themen tauchen in vielen seiner Stücke auf). Das Stück brachte ihm seinen ersten Obie Award ein.

In einer begeisterten Kritik in der New York Times schrieb Frank Rich: »Only a writer of real talent can write an angry play that remains funny and controlled even in its most savage moments.«

 

Einige Jahre später gelang Durang erneut mit BETTYS SOMMERFRISCHE, das 1999 am Playwrights Horizons uraufgeführt wurde, ein Erfolg. In Ben Brantleys Worten (NYT): »this surreal comedy of television, tabloids and domestic homicide brought a whole new spin to the idea of a culture that is entertaining itself to death.«  Es folgten u.a. WARUM FOLTER UNRECHT IST, ODER, WENN WIR´S SCHON TUN, IST ES WOHL OK (2009) und WANJA UND SONJA UND MASCHA UND SPIKE, das 2012 am Lincoln Center für Furore sorgte, bevor es 2013 an den Broadway übernommen wurde.

Das Stück spielt in einem Landhaus und lässt einige seiner ständigen Themen - Familie, Sehnsucht - durch einen Tschechow'schen Filter laufen. Es verbinde »die hohen Ambitionen einer Sittenkomödie fast spielerisch mit dem schnellen Witz einer Sitcom«, so das Badische Tageblatt zur deutschsprachigen Erstaufführung am Theater Baden-Baden. Die Broadway-Aufführung brachte Durang einen Tony Award für das beste Stück ein, seinen einzigen.

 

1994 übernahmen Marsha Norman und er die Leitung des Dramatikerprogramms der Juilliard School. Von dieser Position zog er sich 2016 zurück, im selben Jahr, in dem bei ihm Demenz diagnostiziert wurde. »Er war zutiefst ernst und wahnsinnig komisch«, sagte Norman, die drei Jahrzehnte lang an seiner Seite unterrichtete. »So war er nun einmal. Immer.»


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