Ewe Benbenek

»Was passiert zwischen Hängen und Herunterfallen?« Ewe Benbenek im Gespräch mit Dramaturgin Dominika Široká

»Was passiert zwischen Hängen und Herunterfallen?« Ewe Benbenek im Gespräch mit Dramaturgin Dominika Široká (c) Elisa Maria Schmitt

Am 17.06. fand die Uraufführung von Ewe Benbeneks Theaterstück JUICES am Nationaltheater Mannheim statt. Kamila Polívková brachte Benbeneks mitreißenden Gedankenfluss zur Uraufführung. JUICES ist ein »Sprachkunstwerk« (Nachtkritik) zwischen Entwurzelung und Emanzipation, das im Werkhaus des Nationaltheaters für frenetischen Applaus sorgte. Produktionsdramaturgin Dominika Široká hat Ewe Benbenek im Vorfeld interviewt. Das Gespräch wurde zuerst im Programmheft abgedruckt.

 



Dominika Široká: Das Hängen am Kronleuchter ist ein zentrales Motiv in JUICES. Wie ist diese Idee entstanden und wie funktioniert sie im Stück?

Ewe Benbenek: Ich bin selbst eine von Klassismus betroffene Person. Ich komme aus einer Arbeiter*innenfamilie, meine Eltern sind Ende der 1980er Jahre von Polen nach Deutschland migriert und haben ihr Leben lang in prekären Arbeitsbedingungen gearbeitet. Ich habe einen Bildungsaufstieg inklusive Abitur und Studium gemacht, habe an der Universität gearbeitet und bin heute Autorin. Das Thema betrifft mich also auch persönlich. Zusätzlich habe ich dazu gelesen und geforscht. Im literarischen Schreiben reicht es aber nicht, eine Statistik zu nennen oder Zahlen aufzuzählen. Man muss eine andere Form finden. Irgendwann kam mir dieses Bild in den Kopf: Körper, die an einem Kronleuchter hängen und immer wieder herunterfallen; die sich mit viel Kraft heraufgeschwungen haben, aber immer wieder im Fallen sind, weil sie sich oben, an diesem luxuriösen Platz, nicht halten können. Dieses Bild stand für mich für den sozialen Auf- und Abstieg und ich dachte: In der Literatur ist doch alles möglich! Also habe ich versucht, dieses Bild wörtlich zu nehmen und es genauso aufzuschreiben. JUICES ist dann ein Durchspielen eben dieser Situation: Was passiert zwischen Hängen und Herunterfallen?

 

DŠ: In JUICES verzichtest Du auf klassische Figuren. Warum?

EB: Im Stück geht es viel um die Frage, was tun, wenn wir als Individuen größeren Prozessen, Strukturen und politischen Bedingungen gegenüberstehen. Der Text antwortet darauf nicht nur durch seine Inhalte, sondern auch in seiner Form. Wir finden hier nicht eine, sondern drei Stimmen, die immer wieder aufs Neue verhandeln müssen, wer sie sind. Sind sie ein „Ich“? Oder stehen sie in einem Kollektiv? Kann man überhaupt ein „Ich“ schreiben und eine Stimme auf die Bühne stellen? Oder ist dieses „Ich“ immer schon in Stimmen geteilt bzw. steht in einem Gefüge aus Stimmen? Auch in JUICES ist das „Ich“ in Stimmen aufgesplittert und muss in einen Dialog treten – mit sich und anderen. Dies ist ein Versuch, eine Individualposition aufzubrechen und im Laufe des Stückes zu zeigen, was es bedeutet, sich angesichts großer Herausforderungen zu verbinden und gemeinsam zu sprechen.

 

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Nationaltheaters Mannheim. Alle Rechte liegen beim Theater. Hier finden Sie weitere Informationen zur Produktion. Weitere Termine: 07.07./15.07./23.07./20.09./07.10./21.10.


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