Jonathan Spectors preisgekröntes Erfolgsstück EUREKA DAY (deutsch: DIE NEBENWIRKUNGEN) kommt nach Inszenierungen in New York und London im Herbst dieses Jahres als deutschsprachige Erstaufführung ans Burgtheater Wien. Barbara Neu sprach mit dem Übersetzer des Stücks, Frank Heibert, über die großen Stärken dieses Gesprächskatalysators und über die Herausforderungen, die die Übersetzung an ihn stellte.
Barbara Neu (BN): Jonathan Spectors Stück Die Nebenwirkungen (Eureka Day) spielt an einer kalifornischen Privatschule, deren Eltern- und Lehrerschaft sich für liberal, inklusiv, woke und sensibel hält und sich als eine ganz auf Konsens basierende Community sieht, bis ein Mumps-Ausbruch an der Schule diesen Konsens ins Wanken bringt und zum Thema Impfpflicht ein heftiger Konflikt ausbricht. Was war Dein erster Eindruck von Eureka Day, als Du die Übersetzung übernahmst?
Frank Heibert (FH): Ich war sofort begeistert von dem Stück. Denn Die Nebenwirkungen von Jonathan Spector ist ein kunstvoller Tanz über vermintes Gelände: Wie halten wir es mit allem, was heute unter „woke“ subsumiert wird und sofort starke Meinungen herausfordert? Sind „gute“ Menschen immer gut, auch wenn sie es gut meinen, und machen sie es wirklich immer gut? Natürlich nicht, wie auch. Spector geht mit seinem Parcours, der zuerst Karikaturen zeichnet und dann die Menschen dahinter sichtbar macht, ein Wagnis ein; er gewinnt die Wette, weil er auf einfache Antworten verzichtet und uns alle einlädt, weiterzudebattieren über ein brandaktuelles und komplexes gesellschaftspolitisches Thema.
BN: Das Stück besteht praktisch nur aus Diskussionen - am Anfang und am Ende die in der kleineren Runde des Schul-Elternbeirats, in der zentralen großen Szene die in einer digitalen Schulkonferenz. In diesen Diskussionen ist die Sprache selbst oft von zentraler Bedeutung und somit eine besondere Herausforderung für die Übersetzung, nehme ich an.
FH: Die Sprache als Repräsentation des Denkens und als Behauptung, wie die Realität sei, spielt bei jeder „woke“-Debatte eine große Rolle. Was sollte man wie sagen oder gerade nicht mehr sagen? Wie lässt sich überfälliger Respekt für die Anderen und für das Andere möglichst „richtig“ in Sprache fassen? Und wie formulieren sich Macht und Manipulation, die natürlich nicht verschwinden, nur weil die Sprache kritisch weiterentwickelt wird? All das ist höchst relevant für die Übersetzung eines solchen Stückes. Im deutschsprachigen Raum ist der „woke“ Jargon teils übersetzt, teils Englisch, teils anglizistisch, teilweise sind auch andere Wörter viel triggerträchtiger. Hier hat die Hintergrundrecherche mindestens ebenso viel Spaß gemacht wie das Übersetzen selbst.
BN: Was an DIE NEBENWIRKUNGEN so besticht, ist seine so gelungene Synthese aus Sittenkomödie auf der einen Seite und der ernsthaften Befragung der Grenzen zwischen individueller Freiheit und den Interessen der Gemeinschaft auf der anderen Seite. Diese gesellschaftspolitische Debatte wird in der Realität wie im Stück ja mit großem Ernst geführt. Wie The Guardian es anlässlich der Londoner Premiere formulierte: „Was als umfassende Abrechnung mit der liberalen Linken beginnt, entwickelt sich zu einer fesselnden und strukturierten Debatte über soziale Gerechtigkeit, Impfungen und die Anziehungskraft von Verschwörungstheorien.“ Das ist -- wie so oft, wenn jemand nicht nur ein Thema, sondern auch sich selbst sehr ernst nimmt -- auch eine Steilvorlage für Komik. Wie nutzt Jonathan Spector sie?
FH: Jeder Text, der mit Komik operiert, braucht neben den inhaltlichen Elementen, die er zuspitzt, präzises Timing. Bewundernswert und zugleich unverhandelbare Vorgabe für die Übersetzung ist Spectors „Choreografie“ der Dialoge: Schlagabtausch, Staccato, Sich-Unterbrechen, Hinauszögern, Nicht-Aussprechen, Durcheinander-Reden. Dazu kommen als Quelle von Chaos und Komik die neuen Kommunikationsformen, nur allzu vertraut seit der Pandemie: eine virtuelle Konferenz mit Live-Gespräch und gleichzeitigem Chat. Das Feuerwerk der zentralen Szene braucht, um zu funktionieren, dieselbe Präzision auch in der Übersetzung, was schon allein wegen der Unterschiede des englischen und deutschen Satzbaus vor spannende Herausforderungen stellt. Ich kann es nicht erwarten, das auf der Bühne zu erleben.
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