Die Vorfreude ist riesig. DER KREIS UM DIE SONNE von Roland Schimmelpfennig wird endlich uraufgeführt! Lange erwartet, harrte das Stück, das im vergangenen Sommer im Auftrag des Residenztheaters „als ein Stück der Stunde“ entstanden ist, im Dunkel des Theaterraums aus. Und kommt nun endlich ans Licht. Reisepionierin Bettina Walther über einen flirrenden Uraufführungsabend in München und über den Zauber des Neuanfangs, der uns hoffentlich noch eine Weile begleitet.
Es ist ein wunderschöner Tag, der sich ein bisschen nach Neuanfang anfühlt. München leuchtet an diesem letzten Wochenende im Mai, die Sonne strahlt besonders hell vom blauen Himmel, ein bisschen als müsste sie sich entschuldigen dafür, dass sie sich ausgerechnet im sogenannten Wonnemonat so rar gemacht hat. Der Platz vor dem Residenztheater ist gefüllt, mit Menschen, die die Sonne vermisst haben und das Theater. Vor dem Theater wird im eigenen Testcenter getestet, beim Einlass wird nicht nur die Eintrittskarte, sondern auch Maske, Testergebnis und Personalausweis geprüft. Der fällt auch prompt hinunter in der Aufregung - irgendwie fühlen wir uns noch etwas ungelenk bei diesem ersten Theaterbesuch seit Monaten. Aber die Vorfreude ist riesig, denn DER KREIS UM DIE SONNE von Roland Schimmelpfennig wird endlich uraufgeführt! Lange erwartet, harrte das Stück, das im vergangenen Sommer im Auftrag des Residenztheaters „als ein Stück der Stunde“ entstanden ist, im Dunkel des Theaterraums aus. Und kommt nun endlich ans Licht.
Auf der beeindruckenden Bühne von Irina Schicketanz feiern sieben Schauspielerinnen und Schauspieler ein rauschendes Fest mit vielen Gästen – gekonnt inszeniert von Nora Schlocker. Es ist heiß und viel zu voll, es wird getanzt und geflirtet, während eine Gruppe Anwälte das Recht des Menschen auf Leben, Freiheit und Sicherheit diskutiert. Dazwischen jongliert ein Mann ein Tablett voller Gläser über die Köpfe der Feiernden. Alles ist immer kurz vorm Kippen. Jemand niest und sagt, „Ich werde diese Erkältung nicht los, ich werde sie einfach nicht los.“ Gesprächsfetzen, Momentaufnahmen einer trunkenen Nacht, in der sich eine junge Frau in die Gastgeberin verliebt. Doch diese Liebe hat keine Zukunft. Weil das Virus schon nicht mehr aufzuhalten ist und nach dieser Nacht alles anders sein sein wird. Roland Schimmelpfennig erzählt mit großer poetischer Kraft von einer noch unwirklichen Bedrohung, von der wir Zuschauer wissen, welche unfassbaren Erschütterungen noch folgen werden. Während die Partygäste noch unbekümmert ohne Abstand tanzen, sitzen wir maskentragend im spärlich besetzten Zuschauerraum, sehen wie das Tablett voller Gläser schwankt und schließlich fällt. Wir schauen sehnsüchtig auf das „Vorher“, auf einen Moment voller Leichtigkeit, und ahnen, dass uns die Angst, die hier ihren Schatten auf das Fest wirft, noch weit ins „Nachher“ begleiten wird.
„Das ‚Jetzt‘ oder das ‚Heute‘ wirklich heute und jetzt im Theater festzuhalten, ist so gut wie unmöglich“, sagt Roland Schimmelpfennig im Programmheft des Residenztheaters. Nicht nur Theresa Grenzmann findet in ihrer Besprechung in der FAZ, dass er dieser Unmöglichkeit in DER KREIS UM DIE SONNE so nah wie möglich gekommen sei und: so nah wie nötig.
Langer Applaus und viele Bravos gibt es für DER KREIS UM DIE SONNE, den Autor, für die wunderbaren Schauspieler*innen, für das Regieteam. Als wir das Theater verlassen, ist es kaum dunkel und ganz mild. Früher hätten wir nach einem solchen Premierenerfolg ein Fest gefeiert, getanzt und getrunken und uns in den Armen gelegen. Für heute sind wir glücklich, dass ein lauer Frühlingabend uns erlaubt, noch ein bisschen beisammen zu stehen und hinter den Masken vertraute Gesichter wieder zu erkennen. Und noch ein bisschen zu reden, über das Glück, wieder gemeinsam im Theater sein zu können. Und über den Zauber dieses Neuanfangs, der uns hoffentlich noch eine Weile begleitet.
DER KREIS UM DIE SONNE von Roland Schimmelpfennig, Uraufführung am 29.05.2021, Residenztheater München. Mit Carolin Conrad, Katja Jung, Thomas Reisinger Max Rothabart, Thiemo Strutzenberger, Yodit Tarikwa, Ulrike Willenbacher. Regie: Nora Schlocker, Bühne Irina Schicketanz, Kostüme Vanessa Rust, Musik Nevena Glušica, Licht Gerrit Jurda, Dramaturgie Constanze Kargl.
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