I
Ein achter Seemann wurde kurz vor der Ankunft im toskanischen Livorno krank und war schnell weggerafft. Aus indischem Tuch sprangen Flöhe auf Menschen über: jeden Tag erkrankte ein weiteres Besatzungsmitglied. Wegen wirtschaftlicher Bedenken – soll heißen: weil eine Hand eine andre gut zu schmieren wusste – wurde die Quarantäne nicht auf vierzig sondern sechsundzwanzig Tage festgelegt. So schleppte die Le Grande St. Antoine die Pest ans italienische Festland.
II
Saint Rémys, Vizekönig Sardiniens, soll eben diesem Schiff Tage zuvor die Durchfahrt verwehrt haben: er hatte des Nachts geträumt als Pestkranker zu erwachen. Am nächsten Morgen war er sich sicher, allen Zweiflern zum Trotz, dass die Le Grande St. Antoine der Überbringer des schwarzen Todes sei und gab den allseits als absurd angesehenen Befehl, sie solle sofort ihre Fahrt nach Livorno fortsetzen.
III
Es ist interessant zu bemerken, dass die Pest sich darum nicht scherte: das Schiff mag Erkrankte mit sich gebracht haben; die Seuche aber wütete längst in den Armenvierteln der Stadt – nur ohne Beachtung.
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