Sabrina Zwach

DRAMA @ HOME Mikrodramen: STILLE NACHT

Der Hund freut sich. Er hat keine Sorgen. Sein Leben ist paradiesisch. Ich – plötzlich immer zu Hause, konzentriere mich voll auf ihn, der Tag wird durch unterschiedliche große Runden strukturiert.
Auf meiner letzten solchen durch die leeren und stillen Straßen an diesem Tag, bleiben wir, der Hund und ich, gleichzeitig kurz bevor wir unser Ziel und somit unser zu Hause erreichen, stehen. Beide glauben wir etwas Ungewöhnliches gehört zu haben, beide legen wir den Kopf etwas schief und beide lauschen wir. Tatsache. Während der Hund weiter läuft und in kreisförmigen Bahnen um mich herumschnüffelt, schaue ich nach oben, mache die oberste Etage des Hauses aus, von wo aus das Geräusch kommt, dort müssen die Fenster geöffnet worden sein, dort brennt Licht. Aus den Fenstern dringt es zu mir nach unten auf die Straße, das Geräusch. Ich höre Stimmen, mehrere Stimmen und ich höre - je länger ich mich darauf konzentriere, desto besser kann ich differenzieren - ich höre Männer- und Frauenstimmen, sechs Personen, bestimmt, ich höre diese Personen lachen und ich höre wie sie miteinander anstoßen, die Gläser höre ich sogar unten auf der Straße, das zarte Klingen des Glases und ich höre, wie sie sich ins Wort fallen und diskutieren, ich höre ausgelassene Stimmung und sogar Musik und ich höre mein Herz, wie es schneller schlägt, es hämmert, dann wird es ganz kurz still da oben, als hätte mein Herzschlag die Personen da oben erreicht. Stille.

Herzschlag. Stille.
Der Hund stupst mit seiner Schnauze an mein Knie und drängelt mich, nach Hause zu gehen. Ich gehe weiter und mir kommen die Tränen, oben lachen sie wieder, ich hätte gerne noch weiter auf der Straße gestanden und hätte gerne noch mehr Stimmen gehört und Gläser, die anstoßen und Lachen und ich drehe mich noch einmal um, als könnte ich noch einmal mithören, was da oben geschieht.
Der Polizeiwagen biegt schon in die Straße ein, fast lautlos, das Blaulicht dreht sich, der Wagen hält vor dem Haus mit dem Geräusch und zwei Beamten steigen mit ihren Schutzanzügen und Atemmasken bewaffnet aus, sie sehen nach oben und ich gehe schnell weiter, nach Hause. Die Tränen laufen über meine Wangen. Der Hund sieht mich an und schüttelt sich wohlig, er will schlafen gehen. Er denkt nicht an Morgen.

 

© Rechte liegen bei der Autorin

 

Pro Tag wird ein Mikrodrama veröffentlicht. Auf unserer Website befinden sich die vollständigen Stücke zur Ansicht. Einen kleinen Vorgeschmack bieten die "Teaser" auf Instagram und Twitter. Gerne senden wir aber auch pdf-Dateien zu; einfach theater@fischerverlage.de anschreiben. Wir freuen uns über alle Filme, Bilder, Dokumentationen dieses dramatischen Experiments, die mit uns geteilt werden. #dasdramaverbindet #dasdramalebt #dankanalle


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