In loser Folge möchten wir in diesem neuen Format mit unseren Autor*innen und Regisseur*innen ins Gespräch kommen. Den Anfang macht Emre Akal. Für sein Stück HOTEL PINK LULU – DIE ERSATZWELT wurde er mit dem exil-DramatikerInnenpreis der Wiener Wortstätte ausgezeichnet. Die Uraufführung findet diese Spielzeit am Schauspiel Leipzig statt. Wir freuen uns, Emre nun auch als Regisseur zu vertreten. Derzeit ist er artist in residence an den Münchner Kammerspielen.
Deine Regiearbeiten bewegen sich an der Schnittstelle von Choreografie, Installation und Bildkomposition. Kannst Du uns etwas mehr über Deinen Regieansatz erzählen?
Am Anfang war das Bild, ein Wort, eine Stimmung, eine Skizze, ein Sound, ein Klang oder aber ein Traum. Meine Suche nach Bildern und Stimmungen ergibt oft eine rhizomartige Partiturwand, die sich aus unterschiedlichen Elementen speist. Dabei geht es weniger um althergebrachte Arten und Weisen des Erzählens, als vielmehr um eine abstrakte Übersetzung von Emotionen, aus einer Prägung, die am Ende des analogen Zeitalters etabliert und im Beginn des digitalen Zeitalters geformt wurde. Dem allen liegt zu Grunde, dass ich eigentlich gar nicht weiß, wie das geht – wie man das eigentlich macht. Es ist eine intuitive Form der Suche, die sich dem „Wie man es eben macht“ im besten Falle entzieht. Manche nennen es Tabulatoren-Theater, mal meinte jemand, es sei wie TikTok Videos, ein Bilderrauschen vielleicht, das an Fernsehrauschen und YouTube Sessions erinnert.
Aus dem Gesamten soll dann etwas entstehen, das etwas ergibt, so etwas wie einen Sinn. Vielleicht aber auch nicht und vielleicht ist es falsch, von Regieansatz zu sprechen, als vielmehr von Ansätzen, da ich eben noch auf der Suche bin.
Emre, Du bist Dramatiker und Regisseur. Wie bedingen sich diese beiden Rollen für Deine Regiearbeiten?
Ich sehe beide Funktionen im Grunde als eine. Die Art und Weisen unterscheiden sich manchmal, manchmal auch nicht. Im Endeffekt ist der größte Unterschied, dass bei der Regie viele Köpfe mitarbeiten, viele Köpfe involviert sind in der gleichen Zeitlichkeit. Beim Schreiben ist da meine eigene Stimme, kein Hintergrundrauschen, Stille. Auch beim Schreiben bin ich nie allein, aber dies in unterschiedlichen Zeitabschnitten. Manchmal schreibe ich für mich als Regisseur, manchmal für andere. Beim Zweiten merke ich eine größere Freiheit, begleitet mit dem Gedanken, dass andere den Stress haben werden. Schreibe ich für mich, muss ich oft die Arbeitsprozesse stark trennen, damit ich mich nicht als Regisseur beim Schreiben belästige. Sonst ist das unfrei.
Was ist für Dich das Theater der Zukunft, und welchen Platz nimmst Du darin ein?
Ich habe die letzten Jahre viel nachgedacht über das Theater der Zukunft. Nach einigen Versuchen und Gedankenansätzen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es für mich nur eine Tatsache gibt: Dass das Theater eine Zukunft hat, schon immer hatte, seit es das Theater gibt. Die Form mag sich ändern, die Bedingungen auch, aber im Grunde lebt es weiter. Vielleicht ist das auch eine mögliche Form des Theaters der Zukunft, dass man eben genau darauf vertrauen sollte und damit auch einer Veränderung der Mittel, der Art und Weisen des Zusammenarbeitens und der Form des Theaters. Sprechen wir über das Theater der Zukunft, sprechen wir über soziale, gesellschaftliche, kulturelle, politische Veränderungen, die jetzt, im Anfang des digitalen Zeitalters, so drastisch und schnell sind, wie noch nie.
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